»Schwanensee« - ein artistisches Spektakel
Wetzlar (chl). So farbenfroh, atemberaubend und spannend gibt es Peter Tschaikowskys Ballett »Schwanensee« selten zu sehen: Die »Guangdong Acrobatic Troup of China« inszenierte das populäre Tanzwerk in der Rittal-Arena als ein berauschend fantasievolles Artisten-Spektakel.
Wetzlar (chl). So farbenfroh, atemberaubend und spannend gibt es Peter Tschaikowskys Ballett »Schwanensee« selten zu sehen: Die »Guangdong Acrobatic Troup of China« inszenierte das populäre Tanzwerk in der Rittal-Arena als ein berauschend fantasievolles Artisten-Spektakel. Im Gegensatz zur üblichen klassischen russischen Ballettinterpretation tritt bei »Swan Lake« die facettenreiche chinesische Akrobatikkunst als Komponente hinzu. Die Verschmelzung ist perfekt. Davon haben sich rund 1200 Zuschauer überzeugt, die aus dem Staunen nicht heraus kamen.
Ballerinen in weißen Kleidchen, Spitzentanz und elegante »Pas de Deux« gab es genauso zu sehen wie auf Händen tanzende Frösche, äußerst biegsame Schlangenmenschen, kreisende Rhönradfahrer, auf Rollschuhen gleitende Schwäne oder Hutjongleure. Manche Tricks so genannter asiatischer Martial-Arts-Filme konnte das Publikum live erleben, als kämpferische Artisten zwischen fünf Meter hohen Stangen Salto drehend hin und her sprangen, oder ein bunter Vogelmann sich am Gummiseil durch die Luft katapultierte. Hinzu kam der glanzvolle Genuss für die Augen: Neben den hervorragenden tänzerischem und artistischen Vorführungen konnte man sich einfach nicht an den opulenten Bühnenbildern und der aufwendigen und fantasievollen Kostümen satt sehen.
Lediglich einige Zuschauer in den Parkettreihen fühlten sich der freien Sicht auf das Geschehen gerade am Bühnenboden getrübt, da oft der Kopf des Vordermannes im Weg war. Eine Aufführung in einer Halle mit sich nach hinten erhöhendem Zuschauerraum oder eine etwas höhere Bühne wäre wohl idealer gewesen.
Tschaikowskys Ballettmusik, die von einem Band eingespielt wurde, trat ob der effektvolleren zirzensischen Schau in den Hintergrund, obgleich sie vollständig zu Gehör kam und bestimmte thematische Sätze - etwa der »Danse espagnole« - in entsprechend spanisch angelehnten Kostümen und Schrittfolgen getanzt wurden.
Das Originallibretto von Wladimir Begitschew und Wassili Geltzer hat Choreograph und Regisseur Zhao Ming zugunsten eines noch mehr ausufernden asiatischen Märchens verändert: In einem Traum sieht der Prinz (Chen Dong) wie ein schönes Mädchen vom König der Adler entführt und in einen weißen Schwan verwandelt wird. Der Zuschauer fühlte sich auf den Spuren der Odyssee und eines Marco Polo versetzt, als sich der Prinz auf die Suche nach der verwunschenen Schwanenprinzessin (Yu Wanqing) begibt und um die Welt reist. Dort, auf den Weltmeeren, auf seinem Segelboot oder in der Verbotenen Stadt trifft er auf viele Hindernisse, Verlockungen und allerlei illustre Gestalten.
Wie in der bekannten Geschichte jubelt der König der Adler (Luo Hong) respektive ein Zauberer dem Prinzen eine der Prinzessin zum Verwechseln ähnlich sehenden aber schwarzen Schwanendame unter (Odile/Odette). Ein an das Ballett angelehnter Pas de Troix mit Prinz, Prinzessin und dunkler Gestalt fließt ebenso ein wie der Pas de deux der beiden Liebenden als Höhepunkt der Show: Als wollten sie den Paradefiguren des klassischen Balletts ein Schnippchen schlagen, wurden diese überhöht, effektvoller vorgeführt. So tanzte die Prinzessin ihre Spitze erst auf den Schultern und schließlich auf dem Kopf des Prinzen. In einer anderen Szene drehte eine Ballerina ihre Pirouetten nicht auf den Füßen, sondern kopfüber am Seil - aber genauso elegant. Auch der Humor kam nicht zu kurz: Passend zur kürzlich zu Ende gegangenen Faschingszeit traten vier männliche, clowneske junge Schwäne auf, um ihre Blick auf das oft parodierte Allegro Moderato (»Tanz der vier kleinen Schwäne«) zu fokussieren.
Am Ende siegt der Prinz natürlich über den bösen Zauber und kann seine Schwanenprinzessin aus ihrem Bann lösen. Stehender Applaus für die zweistündige betörende Sinnesflut!