Schäden an tragender Holzkonstruktion beseitigt
Wetzlar (chl). Eines der aufwendigsten Sanierungsprojekte der Stadt nähert sich dem Ende: Am Freitag soll die 6,7 Millionen Euro teure Renovierung des Palais Papius in der Kornblumengasse abgeschlossen werden.
Bei einem Besichtigungstermin in der Barockanlage präsentierten Oberbürgermeister Wolfram Dette (FDP), Museumsdezernentin Sigrid Kornmann (FDP) sowie Heidrun Rücker als zuständige Bau-Koordinatorin des städtischen Planungs- und Hochbauamtes die frisch renovierten Räume zum Abschluss der Sanierung. Die Wiedereröffnung der Ausstellung soll im April 2012 – rechtzeitig vor dem Hessentag – erfolgen.
Das ab 1717 (bisher war man aufgrund einer Wappeninschrift von 1740 ausgegangen) errichtete Adelspalais beherbergt seit 1967 eine der bedeutendsten Möbelsammlungen für europäische Wohnkultur aus Renaissance und Barock, die Sammlung Lemmers-Danforth. Die Möbelstücke werden ergänzt durch Gemälde, Uhren, Wandteppiche, Keramik und Kunstwerke des Goldschmiedehandwerks. Für die Zeit der Sanierung wurden die Exponate in den Sitzungssaal des Alten Rathauses oder ins Magazin der städtischen Sammlung ausgelagert, zum Teil auch im Stadt- und Industriemuseum ausgestellt.
Die Stadtverordnetenversammlung hatte am 17. Oktober 2009 die Sanierung des Palais beschlossen, da es erhebliche Schäden am Altbau aufwies. Die Kosten betrugen nach der Vorlage zunächst sieben Millionen Euro. Gemäß Beschluss wurde durch Planänderungen und Reduzierung von Ausstattungsstandards eine Kostensenkung auf 6,7 Millionen Euro erreicht. Zusätzlich habe man aus dem Zukunftsinvestitionsprogramm des Bundes 1,152 Millionen Euro sowie 230 000 Euro vom Landesamtes für Denkmalpflege Hessen (zwischen 2008 und 2011) an Förderbeträgen erhalten, so Dette.
Bedenklicher Zustand
Bereits Ende der 1990er Jahre sei im Zuge eines geplanten Neuanstrichs des Palais festgestellt worden, dass diese »Kosmetik« allein nicht helfe, erläuterte Rücker. Messungen zum Raumklima, Mängel an der Sicherheitstechnik und Schäden am Gebäude deuteten auf einen bedenklichen Zustand. Im Dezember 2007 wurden sogar einzelne Räume für Besucher gesperrt. Für die Architekten- und Ingenieurleistungen einer bevorstehenden Sanierung wurde im Rahmen einer europaweiten Ausschreibung 2007 die Rohrbach + Schmees Planungsgesellschaft aus Gießen als Generalplaner ausgewählt.
Mit im Team waren zudem das Ingenieurbüro für rationelle Energieanwendung IRE, Gießen, für die technische Gebäudeausrüstung und das Ingenieurbüro Benninghoven aus Frankfurt für die Tragwerksplanung. Die eigentliche Planungen und Voruntersuchungen begannen im Sommer 2008.
Bei der Sanierung wurden insbesondere die Schäden an der tragenden Holzkonstruktion beseitigt. Mitunter hatten sich Balken bereits in Humus verwandelt, so porös und brüchig waren sie. Zudem sei es eine denkmalpflegerische Herausforderung gewesen, die entsprechenden Reparaturen um die umfangreichen Deckenstuckarbeiten herum und schonend auszuführen, erklärte Rücker.
Im Erd- sowie im Obergeschoss mit der Gartenseite wurden die ursprüngliche Raumaufteilung und das statische System wiederhergestellt, welches bei einem früheren Umbau unsachgemäß verändert worden war. Das Gebäude diente nicht nur als Wohnhaus – etwa dem der Korruption überführten Reichskammergerichtsassessor Johann Hermann Franz von Pape (»Papius«) –, sondern später auch als Schule oder Amtsgebäude.
Auf die tragende Holzkonstruktion drückte die ganzen Jahre ein immenses Gewicht: Im Laufe der Zeit hatte man früher abgesenkte und schiefe Böden allzu oft mit neuen Schichten ergänzt, so dass sich an manchen Stellen 35 bis 40 Zentimeter Bodenmaterial aufschichtete, berichtete Projektleiter Thomas Jungherr (Rohrbach + Schmees) über die erfolgte Schuttabtragung. Danach habe sich das Haus in seine ursprüngliche Geometrie zurückgeformt. »Sie werden Dinge sehen, die sie nicht sehen«, verwies Jungherr beim Rundgang auf eines seiner gesteckten Ziele der Sanierungsarbeiten. So macht beispielsweise die eingebaute Fußbodenheizung störend wirkende Heizkörper in den Räumen überflüssig. Lüftungsanlage und das Rauchansaugsystem (als Brandschutzmeldeanlage) mit im Dach untergebrachtem Detektor sind nur durch kleine Öffnungen in Decken oder Wänden zu erkennen. Eine Toilettenanlage, ein Audiovisionsraum und weitere Museumsräume wurden ebenfalls eingerichtet. Die Holzfenster konnten größtenteils erhalten und durch innere Vorsatzscheiben – für UV- und Wärmeschutz mit Einbruchmeldetechnik – aufgerüstet werden.
Den Festsaal im Obergeschoss, der als Empfangssaal der Stadt genutzt wurde, »wird sich demnächst anders darstellen, als ihn die Wetzlarer kennen«, so Jungherr. Hier richteten Restaurateure die originale Farbgebung und die klassizistische Form des Raumes des Jahres 1805 wieder her. Unter abgetragenen Wand- und Deckenschichten habe man noch 200 Jahre alten Stuck gefunden, der wieder zur Geltung kommen soll.
Erhalten blieb der geflieste Marmorboden im Renaissance-Saal im Erdgeschoss – nach Abtragung und Wiedereinsetzen. Der im Saal befindliche Wandkamin hat jedoch auf der gegenüberliegenden Seite Platz gefunden. Unter dem Raum ist zudem ein Gewölbe entdeckt worden, von dem man vorher nichts gewusst hatte. In vielen Räumen sind die Böden neu mit Tafelparkett ausgestattet worden. Die Übergange zu den Nachbarräumen sind stufenlos und somit barrierefrei. Um dies aufgrund der unterschiedlichen Höhenniveaus der Zimmer zu erreichen, sind diese als »schiefe Ebene« ausgelegt.
»Neues Vorzeigeobjekt«
Nach Abschluss der Sanierungsarbeiten, bei denen auch an museumspädagogische Ansprüche gedacht wurde, wird das Palais Papius zum Jahresende offiziell an die Museumsverwaltung, den städtischen Sammlungen Wetzlar, übergeben. Als symbolischen Akt erhielt Museumsdirektorin Dr. Anja Eichler bereits die Hausschlüssel von Rücker überreicht. Ab Mitte Januar beginnt der Wiedereinzug der Möbel- und Ausstellungsstücke. »Das Palais wird ein neues Vorzeigeobjekt«, ist sich Eichler sicher. Denn nicht nur die Möbelsammlung sei einmalig in Deutschland, betonte Stadträtin Kornmann.
Mit der Sanierung kann die aus 450 Kunstwerken bestehende Sammlung am aktuellen Museumsstandard orientiert der Öffentlichkeit präsentiert werden. Die Möbelsammlung für europäische Wohnkultur wurde der Stadt 1963 von der Wetzlarer Ehrenbürgerin Dr. Irmgard von Lemmers-Danforth (1892-1984) übereignet. Ebenfalls kurz vor Hessentag, genauer am 31. Mai, eröffnet eine Sonderausstellung im benachbarten Reichkammergerichtsmuseum über den Freiherrn zu Pape, genannt »Papius«.