Sanierungsstau an Universitäten in Hessen

Mit viel Geld will das Land die Universitäten und Hochschulen in Hessen modernisieren. Bald beginnen die Gespräche über die Verteilung. Der Bedarf der Hochschulen ist unterschiedlich. Ein großer Sanierungsstau herrscht auch an der Justus-Liebig-Universität in Gießen.
Kassel (dpa/lhe). Hessens Hochschulen bringen sich in Position: Im September beginnen die Verhandlungen für das neue hessische Hochschulbauprogramm Heureka. Zwischen 2021 und 2025 will das Land eine Milliarde Euro in den Aus- und Neubau der Hochschulen im Land stecken. In den Gesprächen wird dann entschieden, wie und für welche Projekte das Geld aufgeteilt wird.
«Zu den zentralen Rahmenbedingungen für Wissenschaft, Forschung und Lehre gehört eine moderne Infrastruktur für unsere Hochschulen. Deshalb setzt die Landesregierung das Hochschulbauprogramm Heureka auch über das Jahr 2020 mit einer langfristigen und berechenbaren Perspektive für die Hochschulen fort», sagt Hessens Wissenschaftsminister Boris Rhein (CDU).
Trotz Milliardeninvestitionen des Landes schieben die hessischen Hochschulen allerdings einen riesigen Sanierungsstau vor sich her. Doch der Bedarf an den Hochschulen ist unterschiedlich dringend, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur ergab.
An der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) herrscht ein großer Sanierungsstau. Vor allem überalterte Technik, fehlender Brandschutz auf dem Stand der Technik, fehlende Barrierefreiheit, mangelnde Energieeffizienz und mangelnde Eignung der Gebäude machen den Verantwortlichen und Studenten zu schaffen. Eine Sprecherin betonte, es sei die Herausforderung der kommenden Jahre, «im Rahmen begrenzter Investitions- und Bauunterhaltsbudgets» Forschung und Lehre mit modernen Räumen auszustatten, aber auch Bestandsgebäude bedarfsorientiert zu sanieren. Zwei Drittel der 150 Gebäude sind zwischen 1950 und 1980 gebaut worden.
Hochschulen in Hessen |
Wiesbaden (dpa/lhe). In Hessen wird an fünf Universitäten, fünf Fachhochschulen und zwei Kunsthochschulen geforscht und gelehrt. Außerdem gibt es mit der Geisenheim University eine sogenannte Hochschule neuen Typs, mehrere Verwaltungsfachhochschulen, kirchliche Hochschulen und weitere Hochschulen, bei denen das Land nicht der Träger ist. Fast 25 700 Menschen sind insgesamt im wissenschaftlichen oder künstlerischen Bereich tätig. Es gibt fast 3500 Professoren. Im Wintersemester 2014/2015 waren dem Statistischen Landesamt zufolge rund 240 000 Studenten an den hessischen Hochschulen eingeschrieben.\n |
Insgesamt sollen bis 2020 rund 600 Millionen Euro an öffentlichen Mitteln in die Infrastruktur der JLU investiert werden, unter anderem aus dem Hessischen Hochschulinvestitionsprogramm HEUREKA oder dem Konjunkturpaket II des Bundes. Zu den größeren Posten gehören das Instituts- und Hörsaalgebäude für die Chemie (rund 126 Millionen Euro), die Kleintier- und Vogelklinik (rund 66 Millionen Euro) und das Forschungsgebäude Medizin (rund 32 Millionen Euro).
Die Philipps-Uni Marburg gibt für ihre 120 Gebäude pro Jahr zwischen 7 und 15 Millionen Euro für Sanierungsarbeiten aus. «Der bauliche Zustand der Gebäude ist insgesamt verbesserungswürdig», sagt Sprecherin Andrea Ruppel. Allerdings reiche die Spanne von modernen, neuen oder grundsanierten bis zu dringend sanierungsbedürftigen Gebäuden. Zwischen 2009 und 2020 werden an der Uni Marburg mehr als eine halbe Milliarde Euro in die Gebäude investiert. Der Restbedarf für Modernisierungen und Neubauten habe in etwa die gleiche Größenordnung, betonte Ruppel.
Im Frühjahr 2014 war das knapp 40 Millionen Euro teure Zentrum für Tumor- und Immunbiologie fertiggestellt worden, Ende des Jahres folgte dann neue Fachbereich Chemie mit rund 114 Millionen Euro Baukosten. Zudem laufen derzeit an der Uni Neubauprojekte im Gesamtvolumen von 124 Millionen Euro, darunter die neue Universitätsbibliothek, die Mitte 2017 fertig sein soll mit Kosten in Höhe von knapp 110 Millionen Euro.
Die Frankfurter Goethe-Universität benötigt rund 10 Millionen Euro pro Jahr für die Instandhaltung ihrer rund 130 Gebäude. Seit 2001 sind knapp zwei Drittel der Flächen neu gebaut worden. Entsprechend gut sei die Substanz, sagte ein Sprecher. Sanierungsstau gebe es aber auf dem Campus Bockenheim, der bald bis auf die Zentralbibliothek aufgegeben werden soll, bei der Chemie auf dem Campus Riedberg sowie auf dem Campus Ginnheim. Seit 2011 wurden Gebäude mit einem Wert von rund 340 Millionen Euro bezogen.
Die Uni Kassel hat in den vergangenen Jahren immer mehr Studenten angezogen. Der allgemeine Zustand der insgesamt mehr als 100 Gebäude ist nach Uni-Angaben vergleichsweise gut. Ausnahme ist das denkmalgeschützte Gebäude der Kunsthochschule. «Hier ist in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten ein erheblicher Sanierungsbedarf entstanden», sagt Sprecher Sebastian Mense. Die Uni verhandele derzeit mit dem Land Hessen über Mittel zur Sanierung, die Kosten werden auf rund 15 Millionen Euro geschätzt. Rund 3,7 Millionen Euro des jährlichen Haushalts gehen in die baulich-technische Instandhaltung.
Seit 2012 wurden unter anderem ein neues Campus Center mit Hörsälen, und Seminarräumen (40 Millionen Euro) sowie das Gründerzentrum Science Park Kassel - ein Gemeinschaftsprojekt mit der Stadt Kassel - für 15,6 Millionen Euro gebaut. In diesem Jahr noch fertiggestellt wird der Neubau Fachbereich Architektur, Stadt- und Landschaftsplanung (12,3 Millionen Euro).
Der Zustand der 160 Gebäude der Technische Universität (TU) Darmstadt reicht von neu und modern bis zu hochgradig sanierungsbedürftig. Rund jedes zweite Gebäude steht unter Denkmalschutz. Die TU benötigt nach eigenen Angaben rund 300 Millionen Euro, um einen Sanierungsstau zu beheben. 400 Millionen Euro flossen seit 2009 in die TU, davon wurden eine neue Bibliothek (73,8 Millionen Euro), ein neuer Hörsaal und ein Medienzentrum (33,7 Millionen Euro) gebaut.
«Wir haben in den vergangenen Jahren erhebliche eigene Anstrengungen unternommen, um den gravierenden Sanierungsstau, der sich über Jahrzehnte ergeben hat, sukzessive zu verringern. Es wird etwa zehn weitere Jahre dauern, den ursprünglich auf 500 Millionen Euro geschätzten Sanierungsstau vollständig abzubauen», sagte Manfred Efinger, Kanzler der Technischen Universität Darmstadt. Er kritisierte eine Kürzung der Baumittel von 2016 an. Mit rund 21 Millionen pro Jahr bekomme die TU dann nur noch rund die Hälfte dessen, was für «Modernisierung und den zukunftsgerichteten Ausbau der Universitäts-Infrastruktur» nötig sei.
Die insgesamt 24 Gebäude der Hochschule Fulda sind dagegen nach Angaben der Hochschule gut in Schuss. «Der bauliche Zustand der Gebäude der Hochschule Fulda ist ausgesprochen gut. Bis auf wenige Ausnahmen sind alle älteren Gebäude in den vergangenen Jahren saniert worden», sagte eine Sprecherin. Hochschulbibliothek, Mensa und ein «Student Service Center» wurden 2013 neu gebaut, rund 42 Millionen Euro flossen hierfür aus dem Entwicklungsprogramm HEUREKA des Landes Hessen. Derzeit entsteht ein neues Gebäude mit Unterrichtsräumen sowie Räumen für die Verwaltung. Die Finanzierung für ein neues Gebäude für den Fachbereich Pflege und Gesundheit steht bereits.