Pfandpflicht: Viele Verstöße – wenig Kontrollen
Gießen (si). In der Stadt, dem Kreis und in der gesamten Region verstoßen zahlreiche Betriebe weiter gegen die Verpackungsordnung.
Es handelt sich fast ausschließlich um türkische bzw. kurdische Imbisse und Supermärkte sowie asiatische Händler, die in ihrem Sortiment illegal eingeführte Getränkedosen und Flaschen pfandfrei verkaufen – das ist verboten. Das zuständige Regierungspräsidium Gießen kontrollierte im gesamten letzten Jahr in ganz Mittelhessen 48 Betriebe, vier weniger als 2010, und stellte dabei etliche Verstöße fest. Es zeigt nur die Spitze des Eisbergs. Das Problem kriegt die Aufsichtsbehörde nicht in den Griff.
Rechtlich ist die Lage eindeutig. Nach der Verpackungsverordnung unterliegen Dosen und Flaschen bis zu einer Größe von drei Litern generell der Pfandpflicht. Ausgenommen sind nur Frucht- und Gemüsesäfte, Milch und Wein/Spirituosen. Auf Bier, Limonaden oder Wasser (mit und ohne Kohlensäure) sind je Dose oder Flasche unabhängig von der Größe 25 Cent fällig.
Das aus der Türkei eingeführte Dogal Munzur Quellwasser oder die Uludag Gazoz Limo beispielsweise dürfte also nirgendwo verkauft werden. Gleiches gilt für die in England, Polen oder in anderen europäischen Ländern abgefüllte Sprite oder Fanta. Auch die Root-Beer-Dose aus China steht illegal in den Regalen. Die Händler kümmert es nicht – einige mögen die Rechtslage nicht kennen, andere schmunzeln, wenn man sie auf die schwarze Ware anspricht. Wer von der Marburger Straße über die Walltorstraße in die Neustadt geht, trifft in nicht einmal 30 Minuten auf ein halbes Dutzend Läden, die gegen die Verpackungsverordnung verstoßen. Ihr Risiko, entdeckt zu werden, ist gering – obwohl das Regierungspräsidium in Sichtweite liegt. Rechnerisch haben die RP-Mitarbeiter im vergangenen Jahr pro Woche weniger als einen Händler besucht. In ganz Mittelhessen.
Bei den 48 Kontrollen stellte die Fachabteilung 26 Verstöße fest, das heißt, sie wurde bei mehr als jedem zweiten Besuch fündig. Fast alle Ertappten waren Ersttäter. 19 erhielten eine Verwarnung. Gegen sechs wurde ein Bußgeldverfahren eingeleitet. Es gab einen Wiederholungsfall, bei ihm wurde das im Vorjahr verhängte Bußgeld verdoppelt, teilte die Regierungspräsidium auf Anfrage der Allgemeinen Zeitung mit (die Höhe blieb offen). 2010 war ebenfalls ein Wiederholungstäter aufgeflogen, er hatte mit 800 Euro die bisher höchste Summe zahlen müssen.
Der Gesetzgeber hat die Pfandpflicht aus ökologischen Gründen eingeführt. Einwegflaschen und Dosen haben mit 25 Cent die höchste Abgabe, denn sie sind besonders umweltschädlich. Pfandfreie Ware wird nämlich nicht recycelt. Sie wird wie Restmüll behandelt. Leider werden genau diese Dosen und Flaschen oft achtlos weggeworfen. Hier schließlich sich der Kreis zum Munzur Quellwasser, der Gazoz Limo oder der illegal importierten Fanta aus europäischen Nachbarländern. Es gibt auch einen wirtschaftlichen Aspekt: Die Verkäufer der heißen Waren haben einen Wettbewerbsvorteil, weil sie keine teuren Pfandrückgabesystem aufbauen und unterhalten müssen.
Deshalb sind auch die gesetzestreuen Händler sauer auf die Konkurrenz.
Das Regierungspräsidium ist der Ansicht, dass die Kontrollen »mit einem gewissen Augenma? betrieben werden sollten. Nach dem Staat zu rufen, sei leicht. Oft riefen die gleichen, die sich in anderem Zusammenhang »lauthals über zuviel Staat beklagten«, sagte Sprecherin Gabriele Fischer dieser Zeitung. Denen wäre es allerdings auch nicht recht, »wenn neben jedem türkischen Laden ein Kontrolleur stünde«, meinte sie. Verantwortung hätten auch die Konsumenten. Sie sollten nur dort einkaufen, wo die Ware den gesetzlichen Anforderungen entspreche.