Ina Müller versetzt in Wetzlar 3300 Fans in helles Entzücken
Wetzlar. – Zweieinhalb Stunden singend und »sabbelnd« auf quasi waffenscheinpflichtigen High Heels über die Bühne flippen, Showtreppe rauf und runter, mitten durchs Publikum – und ihre Fans dabei keine Sekunde allein und schon gar nicht aus den Augen lassend: Ina Müller zeigte in der Rittal-Arena, was richtig gute Unterhaltung ist.
Lange nicht mehr so gut amüsiert: Mit Leichtigkeit schafft Froh-Natur Ina Müller den Spagat zwischen Erzählstunde, Balladen und Power-Rock, lässt seichte Anekdoten (der geschlechtsmerkmalorientierte Ehemann der Freundin lässt grüßen) und bauernschlaue Lebensweisheiten (mit augenzwinkerndem Verweis: »Regel Nummer eins: Kein Geld, kein Haus!«) das Bindeglied zwischen ihren Songperlen sein. Die werden leider viel zu selten im Radio gespielt.
Im Mittelhessischen kennt man die »coole Blonde« aus dem hohen Norden längst ziemlich gut – sieht man von ihrer ohnehin regelmäßigen Bildschirmpräsenz, etwa mit der Late-Night-Show »Inas Nacht« aus ihrer Wahl-Heimat Hamburg, einmal ab: Im April 2011 erst war sie Stargast bei der Aufsehen erregenden »HR1 Live Lounge« im Laubacher Schloss, im Jahr zuvor hatte sie bereits die (ausverkaufte) Wetzlarer Stadthalle gerockt. »Moin Wetzlar! Schön, dass wir noch mal hier sein dürfen – wir haben uns ja quasi hochgespielt!«, konstatiert sie nun knapp, blickt sich spitzbübisch um und schickt sogleich ihre markante Lache hinterher.
»Schreibt, ich bin wild«
Die heitere Stimmung in der Rittal-Arena wird auch angesichts der raffiniert ausstaffierten Bühne mit Showtreppe(n), Videoleinwand und großen Bildschirmen an diesem Abend ein erfreulicher Dauerzustand. Beste Sicht von allen Plätzen, auch der Sound lässt nichts zu wünschen übrig, die Lichtregie ist perfekt.
Mit der »Papparazzia« hätten Frau Müller und ihre fulminante Band kaum einen besseren Einstieg wählen können, wenngleich der Text längst überholt ist: »... keine Sau interessiert mit wem ich knutsche....« Und die Zeile »...schreibt ich bin heftig, schreibt ich bin wild: Ich will in die Gala, die Bunte, die Bild« ist mittlerweile ein Selbstläufer: Genau deswegen sind sie schließlich alle hier!
Immer wieder kokettiert Ina Müller mit »Wolfgang«, dem Fast-Rentner aus der ersten Reihe. Das lässt sie blutjung erscheinen – und das gibt sie vor zu brauchen: Wo doch die Werbung Frauen wie sie, Frauen »ab Mitte 40«, gerne als »Tena-Ladys mit aufgeblähtem Bauch« abstempelt.
Auch wenn die gelernte Pharmazeutisch-technische Assistentin schwört, aus Doku-Soaps wie »Schwiegertochter gesucht« Kraft zu schöpfen (»...dann denke ich mir: Oh, wie bin ich schön!«), steht außer Frage, dass die mit hochkarätigen Preisen ausgezeichnete Musik-Kabarettistin mit einer gehörigen Portion gesunden Selbstbewusstseins gesegnet ist.
Dass sie ein Faible für »junge Kerle« hat, daraus macht sie kein Geheimnis, im Gegenteil: Der Song »Mit Mitte 20« sagt alles – und zwar äußerst charmant. Bei allem Erfolg verliert die 46-Jährige doch nicht die Bodenhaftung: Mehr als eine Pflicht, sondern ein ehrliches Bedürfnis ist deswegen innerhalb ihrer Show der Ausflug in die plattdeutsche Muttersprache. Geradezu ehrfürchtig verharren die 3300 – die wenigsten werden die Worte selbst, gleichwohl aber die tiefe Verbundenheit verstehen.
Hinterrücks auf den Flügel
Pfiffige Ideen zeichnen die Show aus – etwa, wenn »uns Ina« von Bühnenhelfer »Welle« hinterrücks auf den Schimmel-Flügel geschoben wird, wo sie dann fröhlich drauflos plappernd ihren Chorsängerinnen Ulla Ihm und Sarah Jane McMinn schier die Fassung raubt: Einsatz verpasst, erstmal muss gelacht werden! Wie im Fluge vergeht der Abend, eine Pause wird (erfreulicherweise) weder den Leuten auf noch vor der Bühne gegönnt. So kulminiert die Show nach einem rasanten Querschnitt durch das künstlerische Schaffen von Frau Müller schließlich in einem spektakulären Finale, dessen Basis Robbie Williams» »Let me entertain you« ist. Längst steht das Publikum, klatscht enthusiastisch mit, viele strömen direkt vor die Bühne, tanzen und freuen sich: Das geht richtig ab!
Zwei, drei Zugaben sind fällig – und die gönnt Ina Müller sich und ihrem Publikum gerne: Barfuß, in einen weißen Bademantel gehüllt (Udo J. lässt grüßen) kommt sie wieder, springt leichtfüßig auf den Flügel und erzählt singend von damals, als sie noch mit ihrer Freundin ausgelassen um die Häuser zog. Die Arena kocht. Ja, genau so wie an diesem Abend könnte es gewesen sein, damals – in der »Sansibar« auf Sylt.
Ina, komm’ bald wieder!
G. Krämer