Mord an Lübcke: Peter Beuth in der Kritik - es droht ein Untersuchungsausschuss

Für Eintracht-Ultras schon lange eine Hassfigur, für die politische Opposition „eine Zumutung“: Peter Beuth. Der hessische Innenminister steuert nun auf einen Untersuchungsausschuss zu.
Innenminister Peter Beuth steht unter Druck. Die SPD wirft dem 51-jährigen CDU-Politiker aus Taunusstein eine „desaströse Informationspolitik“ im Zusammenhang mit dem Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke vor, der ein Parteifreund Beuths und ehemaliger Landtagsabgeordneter war. Ein Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags zu diesem Thema wird zunehmend wahrscheinlich.
Am Mittwoch haben die Sozialdemokraten eine Debatte darüber auf die Tagesordnung des Landtags gesetzt. Im Kern soll geklärt werden, ob der hessische Verfassungsschutz den mutmaßlichen Lübcke-Mörder Stephan E. und seinen möglichen Helfer Markus H. aus den Augen verloren hat, nachdem Ex-Verfassungsschutzpräsident Alexander Eisvogel den Rechtsextremisten Stephan E. noch als brandgefährlich bezeichnet hatte.
Politiker werfen Innenminister Peter Beuth mangelnde Aufklärungsarbeit vor
Auch der frühere Verfassungsschutzmitarbeiter Andreas Temme spielt eine Rolle, der nach Beuths Angaben mit Stephan E. „dienstlich befasst“ gewesen war, ebenso wie der rechtsextreme ehemalige V-Mann Benjamin G., der mit Stephan E. über Temme gesprochen haben soll – was V-Leuten des Verfassungsschutzes strikt untersagt ist.
Der SPD-Innenpolitiker Günter Rudolph betonte im Landtag, die Aufklärung des Mordes an Walter Lübcke sei nicht Aufgabe des Parlaments, sondern der Ermittlungsbehörden. Es müsse vielmehr um das Verhalten des Verfassungsschutzes und des zuständigen Ministers Beuth gehen.
Rechtsextreme Szene in Nordhessen während der Zeit der NSU-Morde
Der verrate immer nur so viel, wie bereits in den Zeitungen gestanden habe oder wie gezielt von der Opposition erfragt werde. „Offensive Aufklärungsarbeit sieht anders aus“, rief Rudolph aus. Nach Überzeugung der SPD habe es eine rechtsextreme Szene in Nordhessen während der Zeit der NSU-Morde in den Jahren 2000 bis 2007 gegeben, „und es gibt sie nach unserer Überzeugung noch heute“.
Der Linken-Abgeordnete Hermann Schaus nannte die Informationspolitik des Innenministers „eine Zumutung nicht nur für Abgeordnete, sondern auch für die Öffentlichkeit“. FDP-Politiker Stefan Müller hieb in die gleiche Kerbe. „Wenn Aufklärung beabsichtigt ist, dann muss man sie auch offensiv betreiben“, forderte er.
Innenminister Peter Beuth steht seit Monaten unter Druck
Innenminister Beuth betonte, er dürfe keine Informationen herausgeben, die das Ermittlungsverfahren im Mordfall gefährden könnten. Im Übrigen habe er alle Anfragen von Abgeordneten beantwortet, soweit das möglich sei. „Von Blockade kann hier wirklich keine Rede sein.“ Fakt sei, dass weder Stephan E. noch Markus H. dem hessischen Landesamt für Verfassungsschutz „zugearbeitet“ hätten.
Der CDU-Innenpolitiker Holger Bellino warf der Opposition vor, sie verbreite teilweise „Verschwörungstheorien“. Es gehe ihr „nur um Skandalisierung und die persönliche Diffamierung des Innenministers“. Das sei falsch „in einer Zeit, in der die Demokraten zusammenstehen sollten“.
Peter Beuth auch nach Mord an Walter Lübcke in der Kritik
Die Grünen-Abgeordnete Eva Goldbach mahnte: „Für parteipolitische Spielchen ist das Thema einfach zu ernst.“ Sie sprach sich für das Prinzip „erst aufklären, dann bewerten“ aus.
Die Auseinandersetzung über seine Informationspolitik nach dem Mord an Walter Lübcke ist nicht Beuths einzige politische Schwachstelle. Der Minister steht seit Monaten unter Druck, weil er Parlament und Öffentlichkeit nur scheibchenweise über die Bedrohung der Frankfurter Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz* informiert hat. Erst vier Monate nach dem ersten Drohschreiben, das in Anlehnung an die rechtsextreme Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) mit „NSU 2.0“ unterschrieben war, unterrichtete Beuth den Landtag – nachdem darüber in der Zeitung berichtet worden war.
NSU 2.0: Mehr als ein Jahr nach dem ersten Drohbrief ist der Fall nicht aufgeklärt
Eine Spur führt ins Erste Frankfurter Polizeirevier, wo Daten über die Anwältin abgerufen worden waren und die Ermittler auf eine rechtsextreme Chatgruppe stießen. Doch mehr als ein Jahr nach dem ersten Drohbrief ist der Fall nicht aufgeklärt – mit negativen Folgen für das Image der Polizei insgesamt. Es ist die Polizei des Innenministers Beuth.
Nebenbei legt sich CDU-Politiker Beuth geradezu leidenschaftlich mit Fans von Fußballvereinen an, die mit Bengalos zündeln. Der Innenminister hält das für so gefährlich, dass er diese Praxis energisch stoppen will. Insbesondere für Ultra-Anhänger von Eintracht Frankfurt ist er damit zu einer Hassfigur geworden. Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses wird Beuth nicht schrecken. Kaum ein Politiker in Hessen hat so viel Erfahrung mit solchen Gremien gesammelt wie er, und zwar aus allen Perspektiven. Beuth hat Untersuchungsausschüsse als Vorsitzender geleitet. Er hat als früherer CDU-Generalsekretär gegen die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen geschimpft und sie für überflüssig erklärt, und er war als Obmann der CDU in Untersuchungsausschüssen tätig. Diese Rolle wird von den Christdemokraten in der Regel so ausgelegt, dass der Obmann alles tut, um den eigenen Minister oder Ministerpräsidenten in Schutz zu nehmen.
Innenminister Peter Beuth steht weiterer Untersuchungsausschuss bevor
Beuth hat auch erlebt, wie es sich anfühlt, selbst zur Zielscheibe der Opposition in einem solchen Ausschuss zu werden – im Palantir-Untersuchungsausschuss um eine Polizei-Software im vergangenen Jahr. Nun steht ihm wohl ein weiterer Untersuchungsausschuss bevor. Verhindern kann ihn seine Fraktion nicht. Beuth versprach am Mittwoch im Landtag, er werde einen Untersuchungsausschuss „als Abgeordneter unterstützen und natürlich als Innenminister meinen Beitrag dazu leisten, dass der Untersuchungsausschuss zielgerichtet und effizient arbeiten kann“.
Die Opposition zeigt sich da skeptisch. Linken-Politiker Hermann Schaus erinnert an das Versprechen der Landesregierung, nach dem Mord an Walter Lübcke müsse alles auf den Tisch. Bisher seien das alles „nur leere Worte“, beklagt Schaus.
Von Pitt von Bebenburg
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