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Sternenkinder - Fotos schockieren: „Babys behandelt wie Klinikmüll“

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Das Ehepaar Mario und Barbara Martin aus Brechen bei Limburg will weiter gegen das ungefragte Obduzieren von Sternenkindern kämpfen.
Wollen Gerechtigkeit für ihr Sternenkind: Das Ehepaar Mario und Barbara Martin aus Brechen bei Limburg will weiter gegen das ungefragte Obduzieren von Sternenkindern kämpfen. © privat

Weil sie entsetzt sind darüber, wie mit ihren toten Babys umgegangen wurde, ziehen Eltern aus dem Kreis Limburg-Weilburg vor Gericht. Die Fotos schockieren.

Brechen – Die Bilder gehen Barbara (44) und Mario Martin (46) aus Niederbrechen bei Limburg an der Lahn (Kreis Limburg-Weilburg) nicht mehr aus dem Kopf. Es sind Bilder, die Eltern niemals sehen sollten. Bilder von den sterblichen Überresten ihres eigenen Kindes, das zwar nie gelebt hat, in ihren Herzen aber dennoch bis heute lebendig ist, einem sogenannten Sternenkind. Es sind Bilder, die nun auch das Landgericht Mainz beschäftigen. 

Denn die Martins haben diejenigen verklagt, die ihrer Meinung nach verantwortlich sind für jene Fotos ihres Babys, die sie seit drei Jahren quälen: die Wiesbadener Helios Horst-Schmidt-Kliniken und die Kinderpathologie der Universitätsmedizin Mainz.

Brechen bei Limburg: Eltern traumatisiert von Fotos ihres Sternenkindes 

Im Jahr 2016 gelangte das Ehepaar in den Besitz einer CD-ROM, auf denen ein Limburger Bestattungsinstitut acht Jahre vorher Fotografien von der zuvor obduzierten Leiche ihres Babys Tamino Federico festgehalten hat. Er kam am 19. September 2008 als Frühchen zur Welt, war bloß 290 Gramm schwer und 24 Zentimeter groß. "Eine Chance zum Leben hatte er nicht", erinnert sich Barbara Martin an ihr Sternenkind.

Für sie war der Verlust ihres zweiten Kindes nach der Fehlgeburt ihres ersten Sohnes Joseph-Lennard zehn Monate zuvor ein Alptraum. Allerdings war die werdende Mutter zu dieser Zeit noch voller Hoffnung: Penelope, die Zwillingsschwester von Tamino Federico, lebte. Nur drei Wochen später starb auch diese Hoffnung: Penelope, 500 Gramm schwer und 27 cm groß, starb kurz nach der Geburt in ihren Armen.

Brechen bei Limburg: Babys in Klinik „behandelt wie Klinikmüll“

Das deutsche Personenstandsrecht bereitete den Brechener Eltern von drei "Sternenkindern" - das sind Kinder, die vor und während der Geburt versterben - weitere Schmerzen. Denn im rechtlichen Sinne waren ihre Kinder keine "Personen", sondern "Fehlgeburten". "Sie wurden behandelt wie Klinikmüll", empört sich Barbara Martin noch heute. 

Das wollten sie und ihr Mann Mario ändern. Sie richteten eine Petition an den Bundestag, der sich 40.000 Bürger anschlossen. Mit Erfolg: 2013 wurde das deutsche Personenstandsrecht so geändert, dass auch totgeborene Kinder als Personen standesamtlich beurkundet werden dürfen und nicht mehr nur Fehlgeburten sind. "Wir wollten, dass diese Kinder nicht wie Müll, sondern wie Menschen behandelt werden", sagt Barbara Martin.

Limburg: Baby gegen Willen der Eltern obduziert - Sternenkind in schockierendem Zustand

Daher war es für das Brechener Ehepaar selbstverständlich, dass keines ihrer Babys obduziert werden sollte. Dies erklärten sie auch gegenüber der Wiesbadener Helios-Horst-Schmidt-Klinik, der Geburtsklinik ihrer Kinder. Das von ihnen unterzeichnete Schriftstück haben Mario und Barbara Martin bis heute aufbewahrt und kürzlich öffentlich gemacht. Mit gutem Grund: Denn entgegen ihrem Wunsch wurde ihr Sohn Tamino Federico in der Kinderpathologie der Universitätsmedizin Mainz obduziert. 

Schlimmer noch: Bilder des Bestattungsunternehmens belegen, dass Tamino regelrecht in seine Einzelteile zerlegt und nur unvollständig an den Bestatter übergeben wurde.

Sternenkinder sterben vor oder während der Geburt 

Dieser war laut Barbara Martin derart entsetzt vom Zustand des toten Baby-Körpers, dass er Fotos anfertigte und auf CD-ROM brannte, die er später der Mutter von Mario Martin übergab - mit dem Hinweis, sie sich "besser nicht anzusehen".

2016 sah sich Mario Martin die Fotos dennoch an. Mit traumatischen Folgen, wie Ehefrau Barbara berichtet. "Mein Mann leidet unter schweren Depressionen, kann kaum noch richtig essen und bekommt die Bilder nicht mehr aus seinem Kopf." Sie selbst habe ebenfalls ein Trauma erlitten, wenn auch weniger schwer, "da ich ja auf die Bilder vorbereitet war", erzählt sie.

Brechen bei Limburg: Eltern beklagen würdelosen Zustand des Baby-Körpers

Was die Martins besonders ärgert ist der "würdelose Zustand" des winzigen Körpers, der dazu noch unvollständig sei. "Es fehlten mehrere Organe", sagt Barbara Martin. Eine Anzeige bei der Limburger Staatsanwaltschaft wegen "Störung der Totenruhe" und "Körperverletzung" blieb ohne Erfolg. 

Also versuchten es die Martins auf dem Wege einer Zivilklage; ein Urteil steht noch aus. Das Landgericht Mainz wird demnächst zu entscheiden haben, ob es den Eltern Schmerzensgeld zugesteht oder nicht.

Warum werden Sternenkinder in Klinik in Hessen einfach obduziert?

Viel Hoffnung, den Fall zu gewinnen, haben die Eltern der Sternenkinder nicht. Ohnehin sei es ihnen nicht um das Geld gegangen, sondern um Aufklärung darüber, wer die Obduktion gegen ihren Willen veranlasst hat und warum. Außerdem wollen sie wissen: Was ist mit den fehlenden Organen ihrer Babys geschehen?

Empört ist das Paar auch darüber, dass weder die Klinik noch die Mainzer Kinderpathologie die Verantwortung für den schlimmen Zustand der Kinderleiche übernehmen wollen. Als geradezu zynisch empfinden sie außerdem eine Aussage der Beklagten vor Gericht: Die Eltern hätten sich die Bilder ja nicht ansehen müssen - dann wären sie auch nicht schockiert gewesen. Traumatisierend, so die Behauptung, seien die Fotos ohnehin nicht. Für den von den Martins als würdelos empfundenen Zustand des toten Körpers sei zudem der Bestatter verantwortlich, der das Kind von Mainz nach Limburg transportiert habe.

Eltern bei Limburg: Kliniken wollen sich zu totem Baby nicht äußern

Weder die Horst-Schmidt-Kliniken noch die Kinderpathologie Mainz wollten sich auf Anfrage dieser Zeitung zu dem Verfahren äußern. Helios-Pressesprecherin Simone Koch erklärte: "Wir möchten unsere tiefe Betroffenheit über das Geschehen ausdrücken und unser Bedauern, dass die Eltern das Ungewünschte erleben mussten. Der Wunsch der Eltern ist für uns Gebot. Demzufolge sind unsere Abläufe klar am elterlichen Willen ausgerichtet mit dem Ziel, diesen Willen im Verfahren sicherzustellen. Ich bitte um Verständnis, dass wir aufgrund des laufenden Verfahrens keine detaillierteren Auskünfte geben können."

Auch im Falle einer Niederlage vor dem Landgericht wollen die Martins nicht aufgeben, auch wenn sie das Verfahren schon "einen Haufen Geld" gekostet hat. "Wir wollen, dass bekannt wird, wie würdelos mit Sternenkindern umgegangen wird, und wir wollen erreichen, dass Sternenkinder nicht mehr so ohne Weiteres obduziert werden dürfen", sagt Barbara Martin. Dass es auch anderen Sternen-Eltern so geht wie ihnen, wissen sie aus rund 7000 E-Mails, die sie in den letzten Monaten erhalten haben.

Um das aus ihrer Sicht unwürdige Treiben mancher Kliniken zu unterbinden, haben sie jetzt die Ärztekammern in Wiesbaden und Mainz eingeschaltet. Auch die Patientenbeauftragte der Bundesregierung befasst sich mit dem Fall des Brechener Ehepaars. "Wir kämpfen weiter", sagt Barbara Martin. 

Von Rolf Goeckel

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