»Lebenslang« für Ex-Polizist im Treiser Mordprozess
Gießen/Staufenberg (sha). Sieht so Rechtsfrieden aus? Vielleicht. Das Urteil der Schwurgerichtskammer am Gießener Landgericht sorgte am Dienstagnachmittag für zufriedenes Nicken in den Reihen der Zuschauer. »Lebenslang« wegen Mordes. Dies ist die Strafe für den angeklagten Ex-Polizist, der am 19. Juli vergangenen Jahres in Treis seine Ehefrau tötete.
Dass der Mann die damals 51 Jahre alte Lehrerin Simone L. umbrachte, stand schon am Tattag fest (die Gießener Allgemeine Zeitung berichtete).Der Treiser rief am Nachmittag selbst bei der Polizei an, räumte das Verbrechen noch am Telefon ein. Widerstandslos ließ er sich festnehmen. Entscheidend sei deshalb nur noch gewesen, wie und warum es zu der Bluttat kam, betonte Staatsanwalt Thomas Hauburger in seinem Plädoyer.
Auslöser war nach seiner Ansicht, dass die Frau sich im April 2012 von dem Angeklagten trennte. Gegenüber Zeugen habe die Lehrerin geäußert, sich von dem Angeklagten »eingeengt« zu fühlen und »keine Luft mehr zum Atmen« zu haben. Damals ahnte allerdings vermutlich noch niemand in Treis, dass diese Worte gut zwei Jahre später grausame Wirklichkeit werden sollten: Der Angeklagte erwürgte Simone L. in einem Schuppen auf dem Grundstück des zuvor gemeinsam bewohnten Anwesens »Am Falltor«.
Auftragskiller angeheuert
Der Ex-Polizist habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass er die Trennung nicht akzeptieren könne, unterstrich Hauburger. Nur zwei Monate später – im Juni – verschanzte sich der Treiser in einer Garage auf dem Grundstück und drohte damit, sich das Leben zu nehmen, falls seine Frau nicht komme und mit ihm spreche. Simone L. kam nicht. Der 56-Jährige wurde in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. Dort habe der wegen eines Rückenleidens frühpensionierte Polizist begonnen, sich in »Gewaltfantasien« auszumalen, wie er seine Frau zurückbekommen konnte, erläuterte Hauburger. Und zwar sehr konkret und sehr brutal. Immerhin: Die Ideen, die dem Angeklagten zuerst vorschwebten, hätte Simone L. wohl überlebt. Der Treiser hatte Kontakt zu drei Männern aufgenommen und wollte sie dafür bezahlen, dass diese seine Frau verletzten oder entführten. Er habe in beiden Fällen als strahlender Retter auftreten wollen, um sich dann um seine Frau »kümmern« zu können.
160 000 Euro an Ganoven gezahlt
Bei der Polizei hatten diese Männer die Absichten des Treisers bestätigt und auch eingeräumt, hohe Summen Bargeld von ihm erhalten zu haben. Und noch mehr: Hauburger betonte, dass der Angeklagte immer rabiater geworden sei und schließlich dafür habe bezahlen wollen, dass seine Frau stirbt. In einer Vernehmung hatte das Ganoven-Trio den Treiser mit den Worten zitiert: »Wenn ich sie nicht kriegen kann, soll sie keiner kriegen« und »Bevor ich mich scheiden lasse, bringe ich sie um«. Letztlich nahmen die Männer jedoch nur das Geld – rund 160 000 Euro in der Summe – und hielten den Angeklagten hin, ohne seine Aufträge zu erfüllen. Gegen sie wird nun ebenfalls ermittelt.
Der Treiser habe seiner Frau, die nach Allendorf/Lumda gezogen war, immer wieder nachgestellt, sie mit SMS bombardiert und verängstigt, schilderte Hauburger. Dennoch habe Simone L. die Scheidung vorangetrieben, ebenso den Verkauf ihres Elternhauses »Am Falltor«, in dem der 56-Jährige noch immer mietfrei wohnte.
Am Tattag sei die Lehrerin noch einmal allein auf dem Grundstück in Treis gewesen, habe in einem Schuppen aufgeräumt. In diesem Moment habe der Angeklagte den konkreten Beschluss gefasst, die Lehrerin zu töten. Mit einem 800 Gramm schweren und 43 Zentimeter langen Dolch sei der Mann in den Schuppen gegangen. »Nur, um ein Gespräch zu erzwingen«, hatte der Treiser immer wieder behauptet.
Diese »Unterredung« endete für Simone L. tödlich. Die 53 Kilogramm schwere Frau habe »keine Chance« gegen ihren 120 Kilogramm wiegenden Ehemann gehabt, sagte Hauburger. Vom Schädel des Opfers abgesplitterte Knochen sprächen für die massive Gewalt, die der Angeklagte »von Anfang an« eingesetzt, aber vor Gericht so nicht gestanden hatte. Laut Obduktionsbericht habe der Ex-Polizist seine Frau mit dem Knauf des Dolches auf den Kopf geschlagen, der am Boden Liegenden dann mit der Waffe in den Hals gestochen und sie schließlich erwürgt.
»Letztes Wort« im Zorn
Gegen eine Tat im Affekt spreche, dass der Treiser die Tötung seiner Frau lange geplant und eine Waffe vom Haus zum Schuppen mitgenommen habe. Dies hatte auch ein psychiatrischer Gutachter unterstrichen. Hauburger forderte deshalb eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mordes, weil das Opfer »heimtückisch überrascht wurde«. Dem schloss sich auch Rechtsanwalt Frank Richtberg an, der die Nebenklage der beiden erwachsenen Kinder des vormaligen Ehepaares vertrat. Verteidiger Alexander Hauer plädierte auf zehn Jahre Haft wegen Totschlags.
Sein inzwischen im Rollstuhl sitzender Mandant nutzte sein »letztes Wort« für eine etwa 30-minütige Generalabrechnung. Unter teils lauten Unmutsbekundungen des Publikums bestritt er, jemals den Tod seiner Frau geplant zu haben. Das Trio habe er angeheuert, um mit Drogendealern seines hoch verschuldeten Sohnes fertig zu werden. Der hatte vor Gericht jedoch ausgesagt, lediglich ganze 150 Euro Drogenschulden und keine Probleme mit Dealern gehabt zu haben.
Der Tochter warf der Treiser vor, dass sie wegen Unterhaltsforderungen gerichtlich gegen ihn vorgehe und zweifelte gar daran, »ob ich der biologische Erzeuger bin«. Auch mit dem Opfer, das »kein Engel war«, schien er wenig Mitleid zu haben. Stattdessen seien die vergangenen zwei Jahre für ihn die »Hölle auf Erden« gewesen.