Landtag debattiert Reizthemen
Wiesbaden (dpa/lhe). Der hessische Landtag hat sich mit mehreren Reizthemen der Landespolitik beschäftigt. In Wiesbaden debattierten Regierung und Opposition über die geplante Rückkehr vieler Gymnasien zum neunjährigen Bildungsweg in der Oberschule.
Darüber hinaus forderte die Opposition den Rücktritt von Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) wegen Verstrickungen in die Polizeichef-Affäre. Auch die Stellung Hessens im Länderfinanzausgleich wurde thematisiert.
Schulen : Mehr als ein Drittel der 107 hessischen Gymnasien will im kommenden Schuljahr zur neunjährigen Gymnasialzeit (G9) zurückkehren. Das sind derzeit 38 Gymnasien, wie Kultusministerin Nicola Beer (FDP) sagte. Zehn weitere Schulen haben sich laut Beer entschieden, in einem Modellversuch die verkürzte Gymnasialzeit G8 und G9 parallel anzubieten. Die Landesregierung hatte Ende vergangenen Jahres wieder G9 als eine Alternative zu G8 beschlossen. Die auf acht Jahre verkürzte Gymnasialzeit hatte nach ihrer Einführung geharnischte Elternproteste nach sich gezogen.
Der Opposition hielt Beer vor, »einen Popanz« aufgebaut zu haben. Die Behauptung, 90 Prozent der Eltern wollten in Hessen zu G9 zurück, sei falsch gewesen. Die Opposition warf der Kultusministerin dagegen vor, die neue Wahlfreiheit an den Schulen zu behindern. SPD, Grüne und Linkspartei unterstützen eine Elterninitiative, die am gestrigen Donnerstag dem Landtag eine Petition mit mehr als 22 000 Unterschriften übergab.
Die Unterzeichner verlangen, dass auch die derzeitigen Fünft- und Sechstklässler wieder zu G9 zurückkehren können. Dies lehnt die Regierung ab. In den 38 rückkehrwilligen Gymnasien sind davon 8500 Schüler betroffen.
Polizeichef-Affäre : Die sogenannte Polizeichef-Affäre in Hessen bleibt ohne politische Folgen. Vergeblich forderten Sprecher der Opposition Regierungschef Volker Bouffier (CDU) zum Rücktritt auf, weil er angeblich das Grundgesetz verletzt habe. In der Debatte über einen Untersuchungsausschuss in Wiesbaden blieben die Positionen unversöhnlich.
In dem Gremium ging es um die Suche des damaligen Innenministers Bouffier von 2007 bis 2009 nach einem neuen Präsidenten der hessischen Bereitschaftspolizei. Ernannt wurde schließlich Hans Langecker, ein anerkannter Polizeifachmann und auch CDU-Mitglied. Bouffier kannte ihn aus seiner Heimatstadt Gießen.
Die Rechte des zweiten Bewerbers Wolfram Ritter seien in dem Verfahren verletzt worden, sagte die SPD-Abgeordnete Nancy Faeser. »Rechtsbruch durch einen Minister ist keine Lappalie – das ist Unrecht.« Die Vorwürfe sah sie auch durch den Verwaltungsrechtler Prof. Matthias Pechstein untermauert, der als Gutachter für den Ausschuss gearbeitet hatte. Verfahrensfehler hätten die Besetzung »eindeutig rechtswidrig« gemacht, schreibt Pechstein. Der CDU-Abgeordnete Holger Bellino sagte dagegen: »Sämtliche Vorwürfe der Opposition sind wie ein Kartenhaus zusammengefallen.«
Länderfinanzausgleich : Finanzminister Thomas Schäfer (CDU) nannte die Ausgleichszahlungen eine »Pervertierung«. Die Leistungsstarken dürften am Ende nicht weniger Geld haben als die Leistungsschwachen unter den Bundesländern. Hessen bleibe nur eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht übrig. Als Alternative zur Neuregelung des Finanzausgleichs schlug FDP-Fraktionschef Wolfgang Greilich die Neuordnung der Bundesländer vor. »Dann müsste Rheinland-Pfalz eben seine Selbstständigkeit aufgeben«, sagte Greilich laut Mittelung. Der rheinland-pfälzische SPD-Chef Roger Lewentz warf ihm daraufhin vor, er sei ahnungslos.
»Und zweitens ist er offenkundig völlig durchgeknallt.« Rheinland-Pfalz und das Saarland sollten aufgelöst und Hessen zugeschlagen werden. Hessen gehört seit Jahrzehnten zu den Geberländern, 2011 zahlte es rund 1,8 Milliarden Euro ein.
Nach Ansicht der Opposition könnte die Klage zum Bumerang für Hessen werden. Der Länderfinanzausgleich berücksichtige derzeit nicht die gerade in Hessen finanzstarken Kommunen, sagte der SPD-Abgeordnete Wolfgang Decker. Die Regierung wolle mit der Klage nur von ihrer schlechten Haushaltspolitik ablenken, kritisierte Sigrid Erfurth von den Grünen.