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Land Hessen muss Gäfgen Entschädigung zahlen

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Frankfurt/Main (dpa). Der Kindsmörder Magnus Gäfgen bekommt wegen der Folterdrohung in einem Polizeiverhör vom Land Hessen endgültig 3000 Euro Entschädigung.

Das Oberlandesgericht Frankfurt (OLG) wies am Mittwoch die Beschwerde des Landes gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt zurück. Eine Revision ließ der Zivilsenat nicht zu. Damit gibt es keine Rechtsmittel mehr. Vor zehn Jahren hatte der heute 37-Jährige den Frankfurter Bankierssohn Jakob von Metzler entführt und ermordet. Es sei das letzte Verfahren seines Mandanten gewesen, der sich seit einem Jahrzehnt durch die Instanzen geklagt hat, sagte Gäfgens Anwalt Michael Heuchemer.

Das Verhalten des früheren Polizei-Vizepräsidenten Wolfgang Daschner und seines Vernehmungsbeamten sei »weder polizeirechtlich noch strafrechtlich gerechtfertigt oder entschuldigt, auch wenn es das Ziel hatte, das Leben des Kindes zu retten«, sagte der Vorsitzende Richter Ulrich Stump. »Die beiden Polizeibeamten haben sich strafbar gemacht«, sagte er. »Hierfür hat das Land einzustehen.« Die Polizei hatte Gäfgen nach Jakobs Entführung vor zehn Jahren im Verhör Folter angedroht, um das Versteck des Jungen zu erfahren. Dass dieser schon tot war, wussten die Beamten nicht.

»Es ist ein guter Tag für die Menschenwürde, auch wenn das Verfahren schwierig ist«, sagte Anwalt Heuchemer. Mit dem Urteil sei Rechtsgeschichte geschrieben worden. Es zeige, das ein Mensch – egal, welche Tat er begangen habe – niemals ein Opfer elementarer Menschenrechtsverletzungen wie der Folterandrohung werden dürfe. Die Opferschutzorganisation Weißer Ring wollte das Urteil nicht kommentieren. Auch das Bankhaus Metzler gab keinen Kommentar ab.

Der Senatsvorsitzende erinnerte in seiner rund 15-minütigen Urteilsbegründung an die rechtlichen Vorgaben des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Dieser hatte im Juni 2010 festgestellt, dass die Androhung von Folter eine unmenschliche Behandlung im Sinne der Europäischen Menschenrechtskonvention war und ausnahmslos verboten ist.

Gäfgen hatte wegen der Folterandrohung 10 000 Euro Schmerzensgeld und Schadensersatz in unbekannter Höhe vor dem Landgericht erstreiten wollen. Dieses gestand ihm im August 2011 wegen »schwerer Verletzung der Menschenwürde« und Berufung auf das EGMR-Urteil eine Entschädigung von 3000 Euro plus Zinsen zu. Dagegen ging das Land Hessen in Berufung. Einen von Gäfgens Anwalt angestrebten Vergleich lehnte es ab.

Das OLG folgte der Argumentation des Landgerichts. Die Androhung erheblicher Schmerzen durch die Polizei habe gegen das im Grundgesetz verankerte Verbot verstoßen, festgenommene Menschen körperlich oder seelisch zu misshandeln, argumentierte das OLG.

Der 2003 zu lebenslanger Haft verurteilte Mörder verfolgte die Urteilsverkündung nicht. Der 37-Jährige war am Morgen zum Verhandlungsbeginn zwar erschienen, nach einer mehrstündigen Beratungspause aber – wie sein Anwalt – nicht mehr in den streng gesicherten Gerichtssaal zurückgekehrt.

Das OLG hielt auch die vom Landgericht festgesetzten 3000 Euro als »symbolische Entschädigung« und eine rechtlich über die Verurteilung der beiden Polizisten hinausgehende Genugtuung für angemessen. Dem privatrechtlichen Insolvenzverfahren Gäfgens stehe dies nicht entgegen, weil es sich um eine »unpfändbare Forderung« handle. Deshalb muss das Geld voraussichtlich an Gäfgen ausgezahlt werden.

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