Kunst oder nur eine Bank für 80 000 Euro?

Wiesbaden - Eine Fähre, die gar nicht fahren kann, ein »Balkon« auf dem Erdboden und Millionenkosten für ein teures Gewerbegebiet ohne jegliches Gewerbe: Insgesamt neun hessische Fälle sind im neuen »Schwarzbuch« des Bunds der Steuerzahler »Die öffentliche Verschwendung 2020/21« vertreten. Es gibt aber auch Fälle, wo Verantwortliche aus Sicht der Organisation die richtigen Konsequenzen aus Vorwürfen des Steuerzahlerbunds gezogen haben. Der Landesvorsitzende Joachim Papendick nannte das gestern in Wiesbaden einen Beweis dafür, dass die akribischen Recherchen seiner Mitarbeiter auch Früchte tragen.
Hubrettungsfahrzeug - Einer der bundesweit 100 unrühmlichen Fälle, die es in das »Schwarzbuch« geschafft haben, ist das von der Stadt Eschborn für fast 680 000 Euro georderte Teleskop-Hubrettungsfahrzeug für die Freiwillige Feuerwehr. Weil sich das 2016 angeschaffte Großgerät mit 17 Tonnen als zu schwer erwies, durfte es für keinen Einsatz genutzt werden. Nach zweieinhalb Jahren wurde das Fahrzeug schließlich für 440 000 Euro zurückgegeben.
»Hafenbalkon« ohne überragende Ausblicke - Aus dem Regionalpark RheinMain schafft es der Hanauer »Hafenbalkon« ins »Schwarzbuch«, ein 4,80 mal 5,50 Meter großes Sitzobjekt am Mainufer. Die überdimensionale Ruhebank aus Holz samt Stahlplattform habe 80 000 Euro gekostet und solle einen spannenden Ausblick auf den Hafen sowie das rege Treiben auf und am Fluss bieten, erläuterte der Steuerzahlerbund. Anders als der Name verspreche, biete der »Hafenbalkon« aber keinen besseren Blick als andere Sitzgelegenheiten. Er rage nicht über das Ufer hinaus, sondern sei fest auf der Erde installiert. Nach Ansicht des Steuerzahlerbundes hätten es auch einfache Sitzbänke für einen Bruchteil der Kosten getan.
Fähre, die nicht fährt - Unter der Überschrift »Havarie für die Steuerzahler« taucht der Landkreis Offenbach in dem »Schwarzbuch« auf. Es geht um den 2017 wegen Problemen mit dem Betreiber stillgelegten Fährbetrieb über den Main zwischen Mühlheim und Maintal. Zwei Jahre später wurde die Fähre laut Steuerzahlerbund für 117 000 Euro instand gesetzt und einem neuen Betreiber anvertraut. Doch schon nach vier Stunden war das Schiff manövrierunfähig. Viel zu spät habe der Landkreis schließlich die Reißleine gezogen und das Aus für die Fähre beschlossen.
Kein bisschen Gewerbe - In Runkel im Kreis Limburg-Weilburg gab die Stadt viel Geld für Grundstücke aus, die schuldenfinanziert für ein neues Gewerbegebiet erworben wurden. Allein: Bis heute hat sich dort keinerlei Gewerbe angesiedelt. Allein die Zinszahlungen belaufen sich dem »Schwarzbuch« zufolge auf 600 000 Euro - bei null Gewerbesteuereinnahmen.
Huxit und mehr - Zu den weiteren Fällen von Steuerverschwendung zählt der Bund in Hessen auch die hohen Kosten für den »Huxit«, also den geplanten Austritt der Stadt Hanau aus dem Main-Kinzig-Kreis, die auf 2,4 Milliarden Euro verfünffachten Kosten für ein Teilstück der A 44 in Nordhessen, eine fragwürdige Marketing-Pyramide als Kunst am Bau vor dem RheinMain Congress Center in Wiesbaden, die jährlich drei Millionen Euro Miete für das überdimensionierte und unzureichend genutzte Amt für multikulturelle Angelegenheiten in Frankfurt und das ebenfalls in der Miete viel zu teure Digitalministerium in Wiesbaden.
Erfolg: Gesellschaftsjagd - Als Erfolg zählt der Bund der Steuerzahler die Tatsache, dass Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) inzwischen auf die Gesellschaftsjagd mit geladenen Gästen auf Staatskosten verzichtet hat. Gerhard Kneier