Johannes Oerdings gekonnter Flirt mit Gießener Publikum
Der Liedermacher und Wahl-Hamburger lockt rund 1000 Zuhörer in die Kongresshalle. SeineTexte handeln von der Liebe und den Freuden und Problemen des Alltags.
Ein »schöner, enger Laden« sei das, bemerkte Johannes Oerding in der Kongresshalle. Über die Schönheit der Halle lässt sich streiten, aber eng wurde es am Freitagabend tatsächlich: Rund 1000 Karten, so hieß es an der Abendkasse, seien verkauft worden, und jene, denen das Konzert des deutschsprachigen Sängers und Gitarristen 30 Euro wert war, standen im großen Saal dicht beeinander und schienen größtenteils begeistert. Als Vorprogramm stand Sänger Sebó auf der Bühne.
Der 33-jährige Wahl-Hamburger Oerding hat in den vergangenen Jahren einige Chart-Platzierungen erreicht, spielte im Vorprogramm der Scorpions und von Joe Cocker und vertrat Hamburg beim Bundesvision Song Contest 2013. Er ist mit der Musikerin und Moderatorin Ina Müller liiert, was seiner Popularität nicht geschadet haben dürfte.
Oerdings Texte handeln von Freuden und Problemen des Alltags, von persönlichen Erfahrungen, auch von der Liebe. Zeilen wie »dass du ein Engel bist, war mir von Anfang an so klar« sind in seinem Repertoire keine Seltenheit und scheinen bei den Fans anzukommen. Das Publikum sang jedenfalls textsicher mit, und die Musiker verstanden es, die Stimmung hochzuhalten.
Die Klaviatur des gekonnten Umgangs mit den Fans beherrscht der Liedermacher aus dem Effeff: Während des Konzerts gibt er Autogramme, mischt sich unter die Zuhörer, animiert sie zum Mitsingen und -klatschen, unterhält mit Anekdoten und nimmt sich mitunter selbst auf die Schippe. Und er schmeichelt den Gießener Zuhörern verschiedensten Alters, die in ihrer Stadt mit Konzerten dieser Größenordnung nicht allzu sehr verwöhnt sind.
Mit der aktuellen Tournee stellt Oerding sein viertes Album »Alles brennt« vor, das kürzlich erschienen ist. Die gleichnamige Single-Auskopplung ist, wie manch anderer Song von Oerding, ein gefälliges Radio-Lied, professionell arrangiert, aber recht simpel gestrickt. Der knapp zweistündige Auftritt war allerdings weit mehr als eine Live-Kopie der eigenen Studioaufnahmen: Oerding setzte seine facettenreiche Stimme gekonnt ein und gehört nicht zu jenen Sängern, die ihre Gitarre nur als Alibi umhängen haben.
Seine Bandkollegen an E-Bass, E-Gitarre, Schlagzeug und E-Piano sind aufeinander eingespielte Profis – und sie hatten am Freitag Zeit, um jenseits seichter Arrangements ihr Können zu zeigen. Einige Songs bestachen mit Elementen aus Funk, Soul, Beat-Musik oder Reggae. Die Band begeisterte das Publikum auch mit Instrumentalsoli und zwischendurch mit musikalischen Anspielungen auf Hits anderer Künstler – etwa von Blur, Amy Winehouse und den Rolling Stones.
Nach einigen Liedern als Zugabe strömten die Zuhörer mit zufriedenen Gesichtern aus der Kongresshalle. Für Oerding war es einer von vielen Tourterminen, für zahlreiche Gäste wird es wohl ein unvergesslicher Abend in diesem »schönen, engen Laden« bleiben.
Jonas Wissner