Hinz droht Untersuchungsausschuss

Die hessische Umweltministerin Priska Hinz kündigt schärfere Kontrollen an. Die FDP bringt einen Untersuchungsausschuss ins Spiel.
Umweltministerin Priska Hinz gerät wegen des Skandals um keimbelastete Wurst des nordhessischen Herstellers Wilke unter Druck. Die FDP brachte am Donnerstag die Überlegung ins Spiel, dass ein Untersuchungsausschuss notwendig werden könnte. „Es gibt eine große Verunsicherung in der Bevölkerung“, konstatierte die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Wiebke Knell. „Ich weiß nicht, wie Ministerin Hinz mit ihrer Person das Vertrauen wiederherstellen will.“
Hinz versicherte, es sei alles getan worden, damit belastete Wilke-Produkte nicht mehr in den Regalen stünden. „3282 Betriebe sind stichprobenmäßig überprüft worden“, sagte sie. „Überall waren die Wilke-Produkte rausgenommen.“
Das Unternehmen in Twistetal-Berndorf stand wegen hygienischer Mängel und Funden von belasteter Wurst seit Monaten unter Beobachtung. Seit August bestand der Verdacht, dass Todesfälle mit Listerien-Keimen aus Wilke-Wurst zusammenhängen könnten. Am 16. September bestätigte das Robert-Koch-Institut, dass drei Todesfälle mit hoher Wahrscheinlichkeit auf den Verzehr von Wilke-Wurst zurückzuführen seien. Erst am 1. Oktober wurde die Schließung des Betriebs verfügt.
Am Donnerstag bestätigte Hinz, dass der Landkreis Waldeck-Frankenberg bereits am 20. September in einer Telefonkonferenz die Schließung des Betriebs vorgeschlagen hätte. „Priska Hinz hat das verhindert“, urteilte FDP-Politikerin Knell. Ministerin Hinz schüttelte den Kopf. Sie erwiderte, der Landkreis habe den Vorschlag seinerzeit nicht mit den Fakten unterlegt, die für eine Schließung notwendig seien. „Es müssen zulassungsrelevante Mängel vorliegen, um einen Betrieb zu schließen“, formulierte sie. Im Übrigen könnten nur die Landkreise und kreisfreien Städte eine Betriebsschließung verfügen. „Und sie sind auch für die Überwachung zuständig, und zwar ganz allein.“
Die Opposition sieht allerdings auch entscheidende Versäumnisse des Ministeriums. „Die politische Verantwortung liegt eindeutig bei Ihnen“, rief der SPD-Abgeordnete Knut John in Richtung Hinz. Spätestens seit Ostern sei auch im Ministerium bekannt gewesen, dass Wilke Wurst mit gesundheitsgefährdenden Listerien ausgeliefert habe, fügte der Linken-Politiker Torsten Felstehausen hinzu. Die Gefährdung der Bevölkerung „hätte vermieden werden können“, urteilte er. „Daran trägt die Ministerin eine Mitverantwortung.“ Der AfD-Abgeordnete Gerhard Schenk sagte zu Hinz: „Sie hätten frühzeitig Bescheid wissen und handeln können.“
Auch die Redner der Opposition wiesen allerdings auf die Verantwortung des Unternehmens und des Landkreises hin. „Warum wurde kollektiv weggeschaut? Warum wurde verschwiegen und vertuscht?“, fragte SPD-Mann John. Der Linke Felstehausen sprach von einer „fatalen Nähe zwischen der kommunalen Wirtschaftsförderung und der Lebensmittelüberwachung“. Felstehausen verlangte, den Kommunen die Zuständigkeit für die Lebensmittelkontrolle wieder zu entziehen. Dagegen wandte sich die CDU-Abgeordnete Lena Arnoldt. „Vor Ort kennt man seine Pappenheimer“, sagte sie zur Begründung. Ministerin Hinz will Konsequenzen aus dem Skandal ziehen. „Wir haben aus dieser Sache gelernt“, sagte sie. Dabei räumte die Grünen-Politikerin erneut ein, dass es eine Panne in ihrem Ministerium gegeben habe.
Der Hinweis auf den Verdacht, dass Wilke-Wurst tödliche Folgen gehabt haben könnte, war dort im August acht Tage lang liegen geblieben, ehe er an den Landkreis weitergeleitet wurde. Nun solle ein „Eingangsportal“ eingerichtet werden, in dem Hinweise rasch bewertet und weitergegeben werden. Hinz wies aber auch darauf hin, dass die E-Mail nicht als „dringlich“ gekennzeichnet gewesen sei.
Mit dem Landkreis Waldeck-Frankenberg und der Task-Force Lebensmittelsicherheit im Regierungspräsidium Darmstadt habe sie eine Reihe von Veränderungen abgesprochen, berichtete die Ministerin. So will Hinz dafür sorgen, dass Lebensmittelbetriebe, deren Produkte ein besonderes Gesundheitsrisiko bergen, häufiger kontrolliert werden.
Landrat Reinhard Kubat (SPD) stimmte zu, dass unangemeldete Kontrollen verstärkt werden müssten. Er sagte aber auch, es werde nie „hundertprozentige Sicherheit“ geben, „besonders, wenn Unternehmen sich mit beachtlicher Energie – trotz Kontrollen, Geldbußen und Auflagen – über Vorschriften hinwegsetzen“.
Pläne der Ministerin
Die Lebensmittelüberwachung soll verbessert werden. Das hat die Umwelt- und Verbraucherschutzministerin Priska Hinz (Grüne) als Konsequenz aus dem Wurstskandal mit dem Landkreis Waldeck-Frankenberg und der Kontrollbehörde im Regierungspräsidium Darmstadt vereinbart. Folgende Punkte hat sie am Donnerstag bekanntgegeben:
Das Weisungsrecht für das Verbraucherschutzministerium soll uneingeschränkt gelten. Bisher sei es für das Ministerium „nur in sehr eng umgrenzten Ausnahmefällen möglich, selbst Kontrollen anzuordnen“, sagt Hinz. Zuständig sind die Landkreise.
Mit drei zusätzlichen Stellen wird die Fachabteilung im Verbraucherschutzministerium verstärkt.
Mehr Personal gibt es auch für die Task Force Lebensmittelsicherheit beim Regierungspräsidium Darmstadt. Die Task Force soll „proaktiv“ tätig werden können. Bisher greift sie erst ein, wenn die Landkreise nach Unterstützung rufen.
Unangemeldete Kontrollen soll es mindestens einmal im Jahr geben bei Betrieben mit einer hohen Risikoeinstufung. Dabei sollen die Landkreise mit der Task Force Lebensmittelsicherheit und dem Regierungspräsidium sämtliche Betriebsräume überprüfen.
Die Risikoeinstufung von Betrieben wird derzeit von den Landkreisen vorgenommen. Künftig soll sie von den Regierungspräsidien überprüft werden.
Die Hersteller von Lebensmitteln sind selbst zu Kontrollen verpflichtet. Diese betrieblichen Eigenkontrollsysteme sollen besser überwacht werden.