Corona-Regeln in Hessen: Inzidenz spielt keine Rolle mehr – was jetzt wichtig ist

In Hessen gilt ein neues Konzept zur Eindämmung des Coronavirus. Die 2G-Regel wird zur Option und die Inzidenz spielt fast keine Rolle mehr: Ein Überblick.
Wiesbaden - „Die Pandemie ist noch nicht vorbei“, betonte der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier bei einer Pressekonferenz - und doch verändert sie sich. Daher hat das Corona*-Kabinett um Ministerpräsident Volker Bouffier zum Herbstanfang 2021 einen grundlegenden Wechsel in der hessischen Strategie zur Eindämmung des Coronavirus beschlossen. Am Donnerstag, dem 16. September 2021 tritt die neue Allgemeinverfügung der hessischen Landesregierung in Kraft.
Die Sieben-Tage-Inzidenz der Neuinfektionen spielt dann nur noch eine untergeordnete Rolle in der Bewertung der Pandemie. Ausschlaggebend ist stattdessen künftig die Situation in den hessischen Krankenhäusern, wie Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) am Dienstag (14.09.2021) in Wiesbaden bekannt gab.
Strategiewechsel in Hessen: Corona-Maßnahmen stützen künftig auf Situation in Krankenhäusern
Die Landesregierung begründet diesen entscheidenden Schritt in der hessischen Corona-Politik mit der „veränderten Situation“ durch die fortschreitende Impfkampagne. Nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) sind Mitte September bereits mehr als zwei Drittel der Bevölkerung in Hessen* vollständig gegen das Coronavirus geimpft.
Da Geimpfte, auch wenn sie sich weiterhin mit Corona infizieren, in der Regel kaum Symptome* entwickeln, sei eine Beurteilung der Lage allein anhand der Infektionszahlen nicht mehr sinnvoll. „Die Infektionsinzidenz als bislang wichtigster Indikator wird durch einen neuen Fokus auf die Situation in den hessischen Krankenhäusern ersetzt“, betonten Bouffier und Hessens Gesundheitsminister Kai Klose (Grüne). Es werden daher mit der neuen Allgemeinverfügung zwei weitere Indikatoren eingeführt, anhand derer die Infektionslage im Land bewertet wird - die Hospitalisierungsinzidenz und die Auslastung der Intensivbetten.
Neues Corona-Konzept in Hessen mit zwei Warnstufen - Weg von der Inzidenz
Die Hospitalisierungsinzidenz - also die Zahl der innerhalb einer Woche wegen Covid-19 in hessische Krankenhäuser eingelieferten Patienten pro 100.00 Einwohner - liegt in Hessen nach Angaben des RKI aktuell bei 2,1 (Datenstand vom 17.09.2021). Stufe 1 des neuen Eskalationskonzeptes greift, wenn die Hospitalisierungsinzidenz über 8 steigt - das entspricht Bouffier zufolge landesweit etwa 500 Patienten, die wegen einer Corona-Infektion ins Krankenhaus kommen.
Die Zahl der Covid-Intensivpatienten darf außerdem nicht über 200 liegen. Laut DIVI-Intensivregister werden im Land aktuell (Stand 20.09.2021) 144 Patienten mit Covid-19 auf Intensivstationen behandelt. Die jeweilige Warnstufe tritt bereits in Kraft, wenn einer der beiden Faktoren den jeweiligen Grenzwert übersteigt. Steigt die Hospitalisierung über 15 oder die Zahl der Intensivpatienten über 400, greift dann Stufe 2 des neuen hessischen Eskalationskonzeptes.
Hospitalisierungsinzidenz | Zahl der Intensivpatienten | |
Warnstufe 1 | > 8 | > 200 |
Warnstufe 2 | > 15 | > 400 |
Welche Maßnahmen konkret in Kraft treten, wenn die einzelnen Indikatoren die Grenzwerte überschreiten, hat die Landesregierung noch nicht beschlossen. Denkbar seien laut Ministerpräsident Bouffier eine Ausweitung der 3G-Regel oder strengere Vorschriften bei Corona-Tests. So könnten in bestimmten Bereichen dann nur noch PCR-Tests - statt der üblichen Antigen-Schnelltests - zugelassen werden. Die Gesamtbettenbelegung in den Krankenhäusern, die Sieben-Tage-Inzidenz der Neuinfektionen und auch die Impfquote in Hessen würden dennoch weiterhin berücksichtigt und beobachtet, erklärt Bouffier.
Video: Die neue Corona-Inzidenz zur Hospitalisierung wird auch kritisisert
Neue Corona-Regeln in Hessen: Kabinett ermöglicht 2G-Optionsmodell
Das Corona-Kabinett hat zudem beschlossen, in Hessen das sogenannte 2G-Optionsmodell einzuführen. Nach dem Vorbild von Hamburg sollen so unter anderem Gastronomen und Friseure die Möglichkeit bekommen, nur noch Geimpfte und Genesene einzulassen, beziehungsweise zu bedienen. In diesem Fall entfallen dann wesentliche Corona-Beschränkungen, wie beispielsweise die Abstandsregeln und die Maskenpflicht.
Das würde den Betreibern und Veranstaltern deutlichen Handlungsfreiraum geben. Dennoch ist die 2G-Regel in der hessischen Wirtschaft sehr umstritten. Und auch bei der Kundschaft gehen die Meinungen über das Modell stark auseinander. Ein Wiesbadener Gastronom, der das 2G-Modell für seinen Pub bereits im August ankündigte, bekam dafür viel Zuspruch - aber auch massive Anfeindungen.
Corona in Hessen: Kinder von 2G-Regel ausgenommen - 3G bleibt weiterhin möglich
Kinder unter 12 Jahren, die noch nicht die Möglichkeit haben, sich gegen das Virus impfen zu lassen, bleiben von der 2 oder 3G-Regel ausgenommen. Kinder unter 6 Jahren müssten überhaupt keinen Nachweis erbringen, sagte Bouffier, Kinder zwischen 6 und 12 - die ohnehin regelmäßig in der Schule getestet werden - könnten einfach das Corona-Testheft aus der Schule vorlegen.
Bouffier und Klose betonen, dass das 2G-Modell lediglich eine Option für die Betriebe und Veranstalter darstellt. Die 3G-Regel ist weiterhin zulässig, also neben Geimpften und Genesenen dürfen nach eigenem Ermessen auch Personen mit einem negativen Testergebnis bedient werden.
Grundsätzlich verpflichtend - für Personal und Mitarbeitende - ist die 3G-Regel laut der neuen Corona-Verordnung in Hessen:
- Landesweit in Innenbereichen (z.B. Gaststätten, Kultur- oder Sportstätten)
- Bei körpernahen Dienstleistungen
Das Abstandsgebot und die Maskenpflicht im öffentlichen Nahverkehr und in Geschäften des Einzelhandels bleiben bestehen, dort muss auch weiterhin kein Nachweis über eine Impfung, die Genesung von einer Covid-19-Erkrankung oder einen negativen Test vorgelegt werden.
Neues Corona-Konzept für Hessen: Vor allem Ungeimpfte von neuen Regeln betroffen
Durch die Einführung des 2G-Optionsmodells übt die hessische Landesregierung weiter Druck auf die ungeimpften Hessinnen und Hessen aus. Hinzu kommt, dass bereits ab dem 1. November die bislang gezahlten Entschädigungen für Verdienstausfälle durch eine vorbeugende Corona-Quarantäne entfallen könnten. Bouffier betonte, dass mittlerweile jede und jeder in Hessen ein Impfangebot von der Politik bekommen habe. „Wenn jemand das nicht will, ist das zu respektieren - aber dann sind die Konsequenzen so, dass der Betreffende sie auch tragen muss und nicht die Allgemeinheit“, so Bouffier.
Corona in Hessen: Bouffier macht Hoffnung für den Winter ‒ Weihnachtsmärkte sollen stattfinden
In vielen Bereichen ändert sich mit der neuen Corona-Verordnung nichts. Das gilt laut Bouffier etwa für die Maßnahmen in Schulen, Kitas, im öffentlichen Nahverkehr und Einzelhandel, aber auch für Gottesdienste und Kirchen. Lediglich für Großveranstaltungen hat die Landesregierung weitere Lockerungen angekündigt. Diese können laut der neuen Allgemeinverfügung sowohl unter der 3G-Regel, als auch im 2G-Optionsmodell durchgeführt werden. Die Veranstalter müssen bei 3G-Veranstaltungen weiterhin ein Abstands- und Hygienekonzept vorlegen - bei 2G-Veranstaltungen entfällt das. Grundsätzlich gilt:
- Drinnen: 3G verpflichtend, Maskenpflicht bis zum Platz, bis zu 500 Personen genehmigungsfrei (Geimpfte und Genesene werden nicht mitgezählt).
- Draußen: Bis zu 1000 Personen genehmigungsfrei - bis zu dieser Grenze entfällt auch die Pflicht zum 3G-Nachweis - und bei mehr als 1000 Personen (ausgenommen Geimpfte und Genesene) ist die Veranstaltung genehmigungspflichtig.
Zudem machte der Ministerpräsident Hoffnung für ein wenig Normalität und gesellschaftliches Leben im Herbst und Winter 2021. So sollen Volksfeste, Kirmessen und Weihnachtsmärkte ungehindert stattfinden dürfen. Lediglich in Zelten oder abgegrenzten Räumen gelte die 3G- oder 2G-Regel, von der Kinder ohne Impfmöglichkeit grundsätzlich ausgenommen bleiben. (iwe) *fnp.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.