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Haltung, Wut und ganz viel Herz

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Von: Sabine Glinke

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Frontmann Jan »Monchi« Gorkow wird von 4000 Fans in der Rittal-Arena gefeiert.	Foto: sag
Frontmann Jan »Monchi« Gorkow wird von 4000 Fans in der Rittal-Arena gefeiert. Foto: sag © sag

Wetzlar (sag). Wenn Feine Sahne Fischfilet in den vergangenen Jahren auf Kritiker getroffen sind, die der Band eine staatsfeindliche, linksextremistische Haltung vorwarfen, dann ging das meistens aus wie das Hornberger Schießen. Und in der Regel war es die Band aus Mecklenburg-Vorpommern, die zuletzt lachte. So auch in Wetzlar, wo der rechtskonservative Flügel der CDU rund um den Bundestagsabgeordneten Hans-Jürgen Irmer und die Bürgerinitiative Pro Polizei zu Mahnwachen und Protesten anlässlich des Konzertes der Norddeutschen in der Rittal-Arena aufgerufen hatten.

Irmer und Co. hätten es wissen können: Wo immer konservative - oder auch rechte - Bündnisse gegen Feine Sahne Fischfilet mobil machten, hat die Band meist bundesweit mediale Aufmerksamkeit generiert, die ihre Popularität nur weiter steigen lässt. Erst jüngst waren Frontmann Jan »Monchi« Gorkow und seine Jungs in die Schlagzeilen geraten, als sich in Berlin die CDU vor den Karren der AfD spannen ließ und versuchte, künftige Konzerte der Band in der Stadt zu unterbinden. Die Band erwirkte eine einstweilige Verfügung und eine Richtigstellung. 1:0. In Wetzlar kann man dagegen titeln 70:4000, denn laut Polizeiangaben versammelten sich gerade einmal 70 Demonstranten bei den beiden Mahnwachen. Dagegen standen 4000 Fans, die beim Konzert durchaus wild, aber eben friedlich feierten.

Doch damit nicht genug: Feine Sahne Fischfilet gesellten sich persönlich zu den Demonstranten. Fotos in den sozialen Medien zeigen die Band mit Transparenten ihrer Gegner. Und eine von Pro Polizei entgegengenommene Weste sollte im Laufe des Konzertes sogar noch eine wichtige symbolische Rolle spielen.

In der Rittal-Arena jedenfalls wurden die Mecklenburger ihrem Ruf als exzellente Live-Band mehr als nur gerecht. Schon nach dem anarchischen Opener »Zurück in unserer Stadt« stand bei Monchi und Co. und ihren 4000 Anhängern »Alles auf Rausch«.

In einer Zeit, in der Künstlern gerne vorgeworfen wird, sie seien zu wenig politisch, scheinen Feine Sahne Fischfilet genau das zu sein, was die Welt braucht: rotzig, laut, aggressiv, politisch, gesellschaftskritisch. Diese Jungs zeigen Haltung. Allen voran Monchi, der sich nicht den Mund verbieten lässt. Auch, wenn er selbst kein Engel ist, trägt er das Herz am linken Fleck. Wie er rund zwei Stunden Konzert in Dauerbewegung bei dieser Körperfülle wegsteckt, scheint dabei ein Rätsel. Es muss das pure Adrenalin sein, die Wut, die ihn antreibt.

In den Lieder, die bei aller Punk-Rauheit dank dem Einsatz von Trompete und Flügelhorn oftmals sehr ska-lastig und damit fluffig-tanzbar sind, singt Monchi tatsächlich auch gegen das System. Aber vor allem singt er - »gegen Arschlöcher und Wichser«. Begriffe, die während des Konzertes oft fallen. Es geht um die thüringische Linken-Landtagsabgeordnete Katharina König-Preuß, die Morddrohungen aus der rechten Szene erhielt (»Angst frisst Seele auf«), es geht um Polizeigewalt (»Wut«). In »Suruç« verarbeitet die Band ihre Eindrücke aus dem gleichnamigen Ort in der Türkei, kurz nachdem dieser zum Schauplatz eines Selbstmordattentats geworden war.

Und immer wieder geht es um Zugehörigkeitsgefühl und Heimat. Die Botschaft: Wir sind alle eins, wir gehören zusammen. Grund genug für Gorkow, die von Pro Polizei »erstandene« Weste zum Verkauf anzupreisen - als Spende für das Netzwerk Iuventa, das sich in der Seenotrettung engagiert und bei Feine Sahne Fischfilet seinen festen Platz auf der Bühne und im Hallenfoyer bekommt.

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