Fronhäuser Fachwerkbau für Vorführung von Handwerk
Es ist ein kleines, unscheinbar wirkendes Gebäude: das »Bäuchen« aus Fronhausen. Dabei hat es im Vergleich zu manchem großen Haus schon einiges erlebt: Bereits zweimal ist es umgezogen. Mittlerweile erntet es viele neugierige Blicke – denn eingerüstet lockt es die Hessenpark-Besucher umso mehr an.
Fronhausen/Neu-Anspach (pad). Dass Baustellen Zuschauer anziehen, weiß jed er Bauarbeiter. Diesen Effekt nutzt nun auch der Hessenpark, wie Museumsleiter Jens Scheller im Gespräch mit der Gießener Allgemeinen Zeitung bestätigt. Man will die verschiedenen Arbeitstechniken an dem alten Haus darstellen.
Als man den Hessenpark vor 41 Jahren gründete, wollte man die von Zerfall und Abriss bedrohten Gebäude der Nachwelt erhalten. Mit Betonsteinen wurden damals die Gefache ausgemauert, kaputte Balken mit Epoxidharz ergänzt. Dieses Verfahren empfahl auch die Denkmalpflege. »Im Nachhinein wissen wir, dass das eine schlechte Idee war«, sagt Scheller. Doch damals fehlten noch die Erfahrungen – und sorgten dafür, dass zuletzt 20 Gebäude im Hessenpark grundsaniert werden mussten. »Das ist ein stetiger Lernprozess.«
Weidenruten und Lehmziegel
Heute setzt man auf althergebrachte Techniken, die von Fachfirmen sowie Handwerkern des Hessenparks eingesetzt werden. So werden die Gefache der Fachwerkhäuser etwa mit ungebrannten Lehmziegeln ausgemauert. Beim Formen der Steine kamen früher Rahmen aus Holz oder Gusseisen zum Einsatz, in welche der Lehm mit der Hand hineingestrichen wurde. Das ermöglichte fast schon Massenproduktion: Ein geschickter Arbeiter konnte um 1900 in zehn Stunden etwa 3000 Steine anfertigen. Entweder trocknete man sie in langen Hallen oder brannte sie zu Backsteinen.
Ein anderes Verfahren beim Fachwerk sind Gefache aus Lehm: Aus Weidenruten – die übrigens von den Kopfweiden im Museum stammen – wird dazu in dem Fach ein Geflecht gewoben und dieses mit Stroh und Lehm verfüllt. Anschließend wird mit Kalk verputzt.
Früher fanden diese Bauarbeiten nur im Winter statt, erklärt Scheller. Doch seit Kurzem geht man einen anderen Weg: Statt die Baustellen zu verstecken, macht man sie zum Teil des Museumskonzepts. »Von dem Aufbau eines Fachwerkbaus sieht man am meisten bei den Bauarbeiten.
« So wird etwa das Fronhäuser Bäuchen während des laufenden Betriebes nach und nach erneuert, können die Besucher den Arbeitern quasi über die Schulter blicken. »Unsere Handwerker bleiben dadurch auch in Übung.«
Doch auch nach Abschluss der Arbeiten verdient das kleine Fachwerkhaus aus dem Landkreis Marburg-Biedenkopf Aufmerksamkeit, denn das Bäuchen hat im wahrsten Sinne des Wortes eine bewegte Geschichte. 1717 wurde es erstmals errichtet, damals vermutlich als privates Backhaus mit ehemals offener Vorhalle. Spuren dafür finden sich an der rechten Traufseite.
Haus zog schonmal um
Als sich später die Brandschutzbestimmungen änderten, waren die privaten Backhäuser nicht mehr erlaubt – auch ein Grund, warum es in vielen Dörfern gemeinsame Backhäuser gab. Die Angst vor dem Feuer war damals noch groß – schließlich waren die Feuerwehren noch nicht so weit entwickelt, wurden regelmäßig ganze Ortschaften ein Raub der Flammen. So wurde das Bäuchen nun als Schafstall genutzt.
Vermutlich zwischen 1790 und 1820 wurde das Nebengebäude zum ersten Mal versetzt. Die Zweitverwertung eines barocken Grabsteins im Sandsteinsockel spricht dafür – sparsamer Umgang mit Baustoffen und Wiederverwertung bereits benutzter Steine war damals gang und gäbe.
Im Jahre 1974/1975 wurde der Fachwerkbau in Fronhausen abgebaut – er stand dem Straßenbau im Weg. Im damals noch jungen Hessenpark fand es eine neue Heimat, ergänzt eine Hofanlage mit Gebäuden aus Frankenbach, Treisbach und Erda. Dort steht es nun am zentralen Weg durch den Park, als wäre es hier schon immer gewesen – und ist ein beliebtes Fotomotiv.