Fraspa stellt sich ihrer Geschichte
Frankfurt - Wie sehr war die Frankfurter Sparkasse in den Nationalsozialismus verstrickt? Dem monatelangen Streit über die Aufarbeitung dieser Frage folgte kürzlich die Mitteilung: »Die Frankfurter Sparkasse und die Polytechnische Gesellschaft Frankfurt (PTG) haben das Fritz-Bauer-Institut gemeinsam damit betraut, die Geschichte beider Institute während der NS-Zeit in eigenen Forschungsprojekten näher aufarbeiten zu lassen.
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Damit endet das Rätselraten, wie die Sparkasse konkret dem Vorwurf begegnen will, sie habe versucht, Teile ihrer Geschichte unter Verschluss zu halten. Ursprünglich sollte eine Festschrift zum 200-jährigen Bestehen der Frankfurter Sparkasse von 1822 die NS-Zeit mit abdecken. Über die Arbeit des Historikers Ralf Roth gab es jedoch Streit. Roth war darauf gestoßen, dass Zehntausende jüdischer Konten gesperrt und ihre Inhaber enteignet worden waren - und dass Täter nach dem Krieg weiter in führender Position bei der Fraspa tätig waren. Roth beschuldigte das Institut für Bank- und Finanzgeschichte (IBF), das die Festschrift in Auftrag gegeben hatte, Erkenntnisse zurückhalten zu wollen. Daraufhin entzog ihm das IBF den Auftrag, und die Sparkasse kündigte an, unabhängig von der Festschrift eine Studie zu ihrer NS-Zeit vorzulegen.
Konten gesperrt und enteignet
Die wird nun das Fritz-Bauer-Institut übernehmen, wie Fraspa-Vorstandsvorsitzender Ingo Wiedemeier und der Präsident der Polytechnischen Gesellschaft, Volker Mosbrugger, mitteilten.
Die Polytechnische war 1822 Gründerin der Sparkasse und Trägerin bis 2005. Ihre eigene Geschichte unter dem NS-Regime ließ sie bereits 2010 untersuchen. Es gehe nun darum, sie um ein wichtiges Kapitel zu ergänzen, »einerseits das Schicksal der ausgeschlossenen jüdischen Mitglieder zu erforschen und andererseits die Verantwortlichkeit der PTG als damaligem Träger der Sparkasse 1822 zu untersuchen«. PTG-Präsident Mosbrugger hat darin Erfahrung. Vor vier Jahren ließ er, damals noch Senckenberg-Generaldirektor, die Rolle der Naturforscher-Gesellschaft in der NS-Zeit untersuchen. Heraus kam unter anderem die frühe und teils willfährige Anpassung an das Hitler-Regime. Die Offenheit und das Bekenntnis, aus der Vergangenheit lernen zu wollen, brachten Senckenberg allseits Anerkennung.
Das Fritz-Bauer-Institut, benannt nach dem hessischen Generalstaatsanwalt, der die Frankfurter Auschwitz-Prozesse in den 1960er Jahren anstieß, begrüßte die Initiative von Sparkasse und Polytechnischer Gesellschaft.
Gebündelte Forschung
»Es ist wichtig und richtig, diesen Teil der Geschichte intensiver zu beleuchten, als das bisher geschehen ist«, sagte Institutsleiterin Sybille Steinbacher. Eine Vorstudie werde zunächst die Quellenlage erschließen. »Mich interessiert das Vorhaben auch deshalb besonders, weil wir am Fritz-Bauer-Institut gegenwärtig ein Forschungsprojekt zur ›Arisierung‹ in Frankfurt betreiben, insbesondere zum Raub von Grundstücken und Immobilien aus jüdischem Besitz.« Sie erwarte Synergieeffekte mit Blick auf die Erforschung der Rolle der Sparkassen in der NS-Zeit.
Den Beteiligten gehe es besonders um die Opferperspektive bei der Aufarbeitung, sagte Mosbrugger. Wiedemeier ergänzte, zudem sei die Betrachtung der Nachkriegsjahre wichtig. Er kündigte »ein wichtiges und unmissverständliches Zeichen« an, »dass wir es ernst meinen mit unserer Verantwortung zur Aufarbeitung unserer Geschichte«.
Wann Ergebnisse vorliegen werden, ist offen. Steinbacher: »Gründlichkeit und Wissenschaftlichkeit müssen Vorrang vor Schnelligkeit haben.«
Eine 1822-Festschrift solle trotz der Verzögerung noch im Jubiläumsjahr erscheinen, sagte Fraspa-Sprecher Bernd Jenne. Daran arbeite das Institut für Bank- und Finanzgeschichte. Thomas Stillbauer