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Im Sommer 2015 spitzte sich die Flüchtlingskrise zu. Zwei Jahre später herrscht nicht mehr Ausnahmezustand in den Einrichtungen, sondern Alltag. Doch es warten weiterhin große Herausforderungen.

Wo im Sommer 2015 auf dem Gelände von Hessens größter Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen Zelte standen und täglich Hunderte Flüchtlinge ankamen, geht es heute ruhig zu. Kein ständiges Kommen und Gehen so vieler Menschen mehr, keine Busse, die immer neue Asylsuchende bringen oder abholen. Die relativ entspannte Lage macht den Behördenmitarbeitern die Arbeit – und den Flüchtlingen das Ankommen leichter.

Gerade für Integrationsangebote wie Deutschkurse, Sport und Spiel gibt es mittlerweile mehr Zeit und Raum. Diese wurden in den Erstaufnahmestellen zwar auch schon während der Flüchtlingskrise angeboten, doch Platz war damals Mangelware. »Wir hatten schon Kurse in Hallen mit 300 Teilnehmern«, erinnert sich Ina Velte, Sprecherin beim Regierungspräsidium Gießen (RP), an die Situation vor zwei Jahren. Damals spitzte sich die Flüchtlingskrise zu.

Heute reicht ein normaler Schulungsraum aus. Davon profitiert etwa eine Gruppe Eritreer, die den Kurs »Wertevermittlung« besucht. Rund 25 Frauen und Männer hören Klaus Schäfer zu, der über Grundrechte wie die Meinungsfreiheit spricht, über die Gleichberechtigung von Frauen und Männern und die Religionsfreiheit. Er erklärt kurz deutsche Begrüßungsformen, Regeln im Schwimmbad oder wie im Notfall Polizei und Notarzt alarmiert werden können. Und er fragt immer wieder nach den Gepflogenheiten in Eritrea. Denn er wolle mit den Menschen ins Gespräch kommen, betont Schäfer.

Eine Dolmetscherin übersetzt für den Pensionär. Er war früher Abteilungsleiter beim Regierungspräsidium Gießen. In der Flüchtlingskrise wurde er um Mithilfe gebeten – seither bietet er gemeinsam mit Kollegen hessenweit in den Erstaufnahmeeinrichtungen Wertevermittlungskurse an.

Auch wenn der rund einstündige Kurs nur einen Überblick bieten kann und auch nicht mehr soll – selbst vermeintlich Selbstverständliches wie die WC-Benutzung oder eben der Schwimmbadbesuch werden kurz thematisiert. Das sei wichtig, sagt Schäfer: »Der Wissensstand ist sehr unterschiedlich. Es kommt sehr darauf an, aus welcher Region die Menschen kommen, ob sie aus städtischen oder ländlichen Gebieten stammen.«

Die Kurse, deren Teilnahme freiwillig ist, dienen nach Angaben von RP-Mitarbeiterin Velte dazu, »ein Gefühl dafür zu kriegen, wo man hier ist«. Aber klar sei auch: Die Erstaufnahmen können nur am Beginn des Integrationsprozesses stehen. Die weiteren Stufen müssen in den Städten und Gemeinden stattfinden, wo die Asylsuchenden länger als in den Erstaufnahmestellen bleiben.

Auch wenn nun mehr Zeit zur Verfügung steht: In einzelnen Regionen Hessens würden neue Mitarbeiter benötigt, sagt Eugen Deterding, Referent für Flucht und Asyl bei der Diakonie Hessen. Weiterhin dabei sind nach seinen Worten viele Ehrenamtliche, die sich engagieren. Allerdings gebe es auch einen Unterschied zum Sommer vor zwei Jahren: »Es ist bedauerlich, dass nach der Willkommenskultur von 2015 nun eine auf Aus- und Abgrenzung ausgerichtete Politik besteht.«

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