Eine Ära geht zu Ende

Hessen steht vor einer Zäsur. In der kommenden Woche tritt Ministerpräsident Volker Bouffier von seinem Amt zurück und macht den Weg frei für Boris Rhein. Der 70 Jahre alte Landesvater leitet damit einen Generationswechsel ein in der hessischen CDU.
Mit dem Abschied knapp eineinhalb Jahre vor der nächsten Landtagswahl eröffnet Bouffier dem 20 Jahre jüngeren bisherigen Landtagspräsidenten die Möglichkeit, mit einem »Amtsbonus« in die Hessen-Wahl im Herbst 2023 zu gehen. Die zumindest in der Außenwirkung harmonische Nominierung seines Nachfolgers war Bouffiers letzter großer politischer Verdienst. Obwohl es gleich mehrere Interessenten für seine Nachfolge gab, gelang es der hessischen CDU, den Machtkampf hinter verschlossenen Türen auszutragen - im Gegensatz zur Bundes-CDU, die zuvor nach internen Grabenkämpfen die Bundestagswahl verloren hatte.
Feierlicher Abschied am Montag
Daran war Bouffier indessen nach Einschätzung von Beobachtern nicht ganz unbeteiligt. War er es doch, der sich zusammen mit Wolfgang Schäuble für den glücklosen Kandidaten Armin Laschet starkgemacht hatte. Eine folgenschwere Entscheidung, durch die Bouffier in den eigenen Reihen unter Druck geraten war, selbst über einen rechtzeitigen Rückzug vor der nächsten Landtagswahl nachzudenken.
Kommende Woche ist es nun so weit. Am Montagabend wird Bouffier in einer feierlichen Zeremonie im Biebricher Schloss offiziell verabschiedet. Am Dienstag stellt sich Boris Rhein im Landtag zur Wahl. Ein Moment, der durchaus nicht ohne Anspannung verlaufen wird. Verfügt die schwarz-grüne Koalition doch nur über eine Ein-Stimmen-Mehrheit im Parlament. Bouffier verschwindet allerdings noch nicht ganz von der Wiesbadener Bühne. Er bezieht als Ministerpräsident a. D. ein Büro in unmittelbarer Nachbarschaft zur Staatskanzlei, was für Kritik aus seiner Partei gesorgt hat.
Vater von Schwarz-Grün
Dennoch geht mit dem Rücktritt Bouffiers eine Ära zu Ende. Schon als Innenminister unter dem früheren Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) hatte sich Bouffier von 1999 an einen Namen gemacht. Als konservativer Hardliner wurde Bouffier als »Schwarzer Sheriff« tituliert. Ein Image, das Kochs »Kronprinz« schnell ablegte, nachdem er im Jahr 2010 selbst Ministerpräsident wurde.
So gelang es ihm nach der Landtagswahl 2013, das erste schwarz-grüne Bündnis in einem Flächenland zu schmieden. Damit führte Bouffier die zuvor kaum für möglich gehaltene Versöhnung mit den Grünen herbei, die einst als Erzfeinde des konservativen hessischen CDU-»Kampfverbands« im Landtag galten. Eine Leistung, die den Christdemokraten neue Machtoptionen eröffnet und ihnen bis heute ein moderneres Antlitz verliehen hat.
Inzwischen ist Bouffier der dienstälteste amtierende Ministerpräsident Deutschlands. Und er erfährt neben seinen landes- und bundespolitischen Verdiensten parteiübergreifend Anerkennung für seinen Beitrag zur Überwindung des klassischen politischen Lagerdenkens. Selbst der thüringische Ministerpräsident von der Linkspartei, Bodo Ramelow, fand kürzlich bei Bouffiers Abschied im Bundesrat lobende Worte für den CDU-Mann aus Gießen. Und bei den hessischen Grünen genießt Bouffier freundschaftlichen Respekt für seine langjährige harmonisch-geräuschlose Führung der schwarz-grünen Koalition im Wiesbadener Landtag.

