Bilanz der Gießener Syrien-Konferenz fällt positiv aus

Gießen (gäd). Eine durchweg positive Bilanz der gestern zu Ende gegangenen Syrien-Konferenz in Gießen zog Prof. Dr. Andreas Dittmann vom Institut für Geographie der Justus-Liebig-Universität (JLU). Die Teilnehmer des Treffens, zu dem überwiegend syrische Geografen und Geologen eingeladen waren, hatten ein umfangreiches Programm zu bewältigen.
Rund 20 Fachvorträge und Diskussionsrunden standen von Freitag bis Sonntag im Hörsaal des Zeughauses auf der Tagesordnung der öffentlichen Veranstaltung. »Syrien als failed state« – Syrien als gescheiterter Staat, so lautete die Überschrift über die Konferenz, bei der es gelungen sei, neue Kontakte zu knüpfen. Daraus soll sich ein Netzwerk bilden, das die Basis für eine zukünftige Zusammenarbeit legen soll. Denn es werde irgendwann eine Zeit nach dem Bürgerkrieg geben, dann stehe der akademische Wiederaufbau der zerstörten Gebiete an. »Und dann wollen wir vorbereitet sein«, sagte Prof. Dittmann gestern im Gespräch mit dieser Zeitung. Die Gießener Geografen können auf einige Erfahrungen beim akademischen Wiederaufbau in kriegszerstörten Bereichen zurückblicken. Sie sind seit langem in Afghanistan engagiert. »Damals haben wir viel Zeit gebraucht, um ein solches Netzwerk zu knüpfen«, erklärte der Professor. »Diesmal können wir direkt darauf zurückgreifen.«
Informationen ausgetauscht
Es sei aber nicht nur gelungen, Kontakte zu knüpfen, sondern auch viele Informationen auszutauschen, zeigte sich Dittmann von der Qualität der Vorträge angetan. Insgesamt waren 16 Kollegen aus Syrien in der Universitätsstadt zu Gast. Mitinitiator der Konferenz war Prof. Dr. Hussein Almohamad, der seit zwei Jahren mit seiner Familie in Gießen lebt. Er stellte den Kontakt zu vielen seiner Kollegen aus Syrien her. Noch ein Erfolg: Dem Geografen Prof. Awad Ajidi aus Aleppo, der in der Notunterkunft in Großen-Buseck untergebracht ist, konnte laut Dittmann an der Universität kurzfristig ein Platz zum Arbeiten zur Verfügung gestellt werden. Bei den Vorträgen und Diskussionsrunden ging es unter anderem um die Frage, was syrische Flüchtlinge von Deutschland erwarten. Und um das kulturelle Erbe des Landes sowie um die Frage, wie es beschützt werden kann.
Diplom-Geograph Basher Ali ist Syrer und seit drei Jahren in Deutschland. Er berichtete gestern vom großen Einfluss, den soziale Medien als Hilfsmittel für Flüchtlinge haben. Er wertete 200 Interviews mit Asylbewerbern aus. Ergebnis: 90 Prozent der Befragten gaben an, dass soziale Medien bedeutend für ihre Entscheidung gewesen seien, nach Deutschland zu kommen. 98 Prozent kamen über entsprechende Informationen aus dem Netz in Kontakt mit Schleusern, 70 Prozent hatten die Kontaktdaten direkt von einschlägigen Facebook-Seiten.
Auch schockierende Fälle wie der Tod der 71 Flüchtlinge in Österreich oder der des kleinen Aylan hätten keine abschreckende Wirkung. Die Not der Flüchtlinge sei größer.
Gerüchte und Falschmeldungen
Eine große Rolle bei der Betrachtung von sozialen Medien im Hinblick auf die Flüchtlingskrise seien laut Basher Ali Gerüchte und Falschmeldungen.
So hieß es beispielsweise im Netz, dass Deutschland Schiffe ins Mittelmeer entsende, um Flüchtlinge abzuholen, dass die Regierung in Berlin ein Bundesaufnahmeprogramm für bis zu 800 000 Menschen plane oder dass Asylanträge direkt bei der deutschen Botschaft im Libanon und in der Türkei gestellt werden könnten. Zwar hätten die Botschaften und die Bundesregierung diesen Falschmeldungen und Gerüchten widersprochen, geändert habe es aber nur wenig. Auch die zeitweise Aussetzung des Dublin-Verfahrens durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sei in manchen Medien in der arabischen Welt so dargestellt worden, als ob Berlin ein entsprechendes Gesetz erlassen habe.