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Ein Backhaus ohne Ofen

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Ein Punkt auf der Kritikliste des Bundes der Steuerzahler: Die Sanierung des Bad Homburger Schlosses ist auch nach über acht Jahren noch nicht abgeschlossen. Die Baukosten haben sich außerdem verfünffacht.
Ein Punkt auf der Kritikliste des Bundes der Steuerzahler: Die Sanierung des Bad Homburger Schlosses ist auch nach über acht Jahren noch nicht abgeschlossen. Die Baukosten haben sich außerdem verfünffacht. © dpa

Wiesbaden (dpa/lhe). Der sorglose und verschwenderische Umgang mit öffentlichem Geld kostet die hessischen Steuerzahler nach Einschätzung von Experten jährlich Millionensummen. Ob die Verschwendung zugenommen habe, könne er konkret nicht sagen, erklärte der Landesvorsitzende des Bundes der Steuerzahler, Joachim Papendick, bei der Präsentation des »Schwarzbuchs 2019/20« am Dienstag in Wiesbaden. »Aber es gibt immer noch zu viele Fälle.« Bundesweit gehe er bei der staatlichen Geldverschwendung von einer Milliardensumme aus. Die Steuerexperten bekämen fast jeden Tag Zuschriften mit Hinweisen etwa von Bürgern oder Kommunalpolitikern, sagte Papendick. In allen Fällen werde immer die andere Seite um eine Erklärung der Kostenentwicklung angefragt, bevor es eine Aufnahme in das »Schwarzbuch« gibt. Bundesweit werden rund 100 Fälle von staatlicher Geldverschwendung in dem Buch aufgeführt. Hessen sei mit zehn Fällen in der aktuellen Printausgabe vertreten. Einige Beispiele:

Das Stadion des SV Wehen Wiesbaden wird derzeit von rund 12 500 auf 15 000 Plätze aufgestockt. Vorschriften der Deutschen Fußball-Liga (DFL) zur Mindestzuschauerkapazität sind der Grund. Dafür gibt es nach Ansicht der Steuerexperten aber keinen Bedarf. Vor dem Aufstieg des Vereins in die zweite Liga seien im Schnitt nur etwas mehr als 3000 Zuschauer ins Stadion gekommen. Selbst in der Zweitligasaison vor zehn Jahren seien es lediglich knapp 8000 Besucher gewesen. Trotzdem beteilige sich das Land mit 3,5 Millionen Euro an dem Umbau. Das Land solle sich nach Meinung der Steuerexperten aus dem Profisport heraushalten.

Teure Demokratie: Im Landkreis Marburg-Biedenkopf wurde entschieden, die Landratswahl nicht mit der Europawahl Ende Mai vergangenen Jahres zusammenzulegen, sondern einen eigenständigen Termin Anfang September zu wählen. Ein gemeinsamer Wahltag sei aus wahltaktischen Gründen verworfen worden, erklärte Papendick. In der Folge sei die Wahlbeteiligung deutlich niedriger ausgefallen als in der Vergangenheit. Es seien vermeidbare Kosten entstanden. Alleine in der Stadt Marburg lägen die Kosten bei einer Landratswahl bei 74 500 Euro.

Entwicklung eines E-Highway: Für die Forschung und Entwicklung von Lastwagen mit einer Oberleitung gibt es eine Teststrecke in Hessen auf der Autobahn 5. Bundesweit wird das Elektro-Highway-Projekt von der Bundesregierung mit rund 107 Millionen Euro gefördert, nach Hessen fließen den Angaben zufolge 14,6 Millionen Euro. Es sei aber zu befürchten, dass dieses Modell niemals flächendeckend genutzt werde, weil die Technologie sehr teuer sei, mahnten die Steuerexperten.

Backhaus ohne Ofen: Als weiteren Fall nannte Papendick die Sanierung des historischen Backhauses im Bad Hersfelder Stadtteil Asbach mit Kosten in Höhe von 78 000 Euro. Während der Arbeiten habe sich herausgestellt, dass die Bausubstanz viel mehr Mängel aufwies als gedacht, sodass sich die Kosten verdoppelten. Der kaum genutzte Ofen sei nicht mehr brauchbar gewesen, sodass das Backhaus nun als Abstellkammer genutzt werde.

Kostenexplosion bei Schlosssanierung: Die Sanierung des Königsflügels im Bad Homburger Schloss sei auch nach über acht Jahren noch nicht abgeschlossen und die Baukosten hätten sich verfünffacht, kritisiert der Steuerexperte. Zunächst sei das zuständige Wissenschaftsministerium von zwei Jahren Bauzeit und bis zu zwei Millionen Euro Kosten ausgegangen. Nachdem sich im Laufe der Arbeiten zahlreiche weitere Schäden am Gebäude zeigten, sei die Sanierung immer umfangreicher geworden und die Kosten auf rund zehn Millionen Euro gestiegen. (Seite 5)

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